1159 - Seth-Apophis
der beiden Gestalten, die auf einer großen Bildfläche das neblige Wirbeln der sterbenden Galaxis beobachteten.
Clyvanth-Oso-Megh seufzte. Ohne den Blick von der Videofläche zu wenden, antwortete er: „Um unserer Erlösung willen hoffe ich es, Lafsater. Ich bin müde. Wir alle sind müde. Zu lange haben wir im Dienst der Kosmokraten gestanden. Darum wurde der Orden der Ritter der Tiefe geschaffen, daß er uns ablöse. Wir haben die Ruhe verdient. Noch diese eine Tat, und wir sind unseres Amtes ledig. Wie könnte es das Schicksal wollen, daß uns die Tat mißlingt?"
„Man sagt, der Kurs des Frostrubins sei unberechenbar", hielt ihm Lafsater-Koro-Soth entgegen. „Trotzdem glauben unsere Mathematiker, sie hätten eine Methode gefunden, die Bewegungen des Ungeheuers vorherzusagen. Verläßt du dich auf sie?"
„Was bleibt mir anderes übrig?" entgegnete Clyvarith-Oso-Megh mit bitterem Spott. „Der Frostrubin hat sich vor kurzer Zeit entladen - in einer Großgalaxie, die neunzig Millionen Lichtjahre von Norgan-Tur entfernt ist. Er hat Hunger. Er sucht nach Energie, die er in sich aufnehmen kann. Die größte Energiekonzentration im Umkreis von mehr als einer Viertelmilliarde Lichtjahren stellt dieser wirbelnde Klecks dort dar. Die Mathematiker haben errechnet, daß der Frostrubin von intensiven Konzentrationen angelockt wird. Sie sind sicher, daß er hier erscheint."
„Und dann, Clyvanth?" fragte Lafsater-Koro-Soth ungeduldig. „Was wird dann geschehen?"
„Der Frostrubin nimmt eine Energieform in sich auf, die er nicht verdauen kann", antwortete Clyvanth-Oso-Megh. „Rotationsenergie in höchster Konzentration. Damit hat er es bislang noch nicht zu tun gehabt. Oh, die Sonnen, Planeten und Nebelmassen, denen er bisher Energie entzogen hat, rotieren auch. Aber die Vektoren ihrer Rotationsbewegung sind wahllos in alle Richtungen orientiert und mitteln sich zu null. Hier dagegen bekommt es der Frostrubin mit einem einzigen, riesigen, eindeutig orientierten Block von Rotationsenergie zu tun. Unsere Hoffnung ist, daß er damit nicht fertig wird."
„Unsere Hoffnung? Nur unsere Hoffnung?" Lafsather-Koro-Soths Stimme klang bedrückt. „Gewißheit haben wir nicht?"
Clyvanth-Oso-Megh erhielt keine Gelegenheit zu antworten. Eine Automatenstimme verkündete: „Intensive Turbulenzen in den Randzonen des Beobachtungsgebiets. Die Ankunft des Frostrubins steht unmittelbar bevor. Arbeitsplattform geht auf Sicherheitsabstand."
Aus dreitausend Lichtjahren Entfernung verfolgten sie das unglaubliche Geschehen. Die hyperenergetischen Meß- und Beobachtungsgeräte übermittelten die Einzelheiten des Vorgangs ohne Zeitverlust, und auf ihren Bildschirmen wickelte sich die Katastrophe so deutlich und plastisch ab, als befänden sie sich nur wenige Lichtminuten entfernt.
Ein Blitz von ungeheurer Intensität zuckte durch die Schwärze des Leerraums. Von einer Sekunde zur ändern war die wirbelnde Materie der sterbenden Galaxis verschwunden.
Bruchstücke blieben übrig, Brocken aus kristalliner Substanz, nicht mehr degeneriert, nur bis in die Schwingungen der innersten Elektronenschalen hinein gefroren, zur Bewegungslosigkeitverdammt durch die tödliche Kälte des absoluten Nullpunkts.
Zwei Tage lang warteten die Porleyter, dann wagten sie sich wieder vor. Zaghaft bahnte sich ihre Plattform einen Weg durch die Milliarden Bruchstücke gefrorener Materie. Vor ihnen war etwas, ein ungeheures Gebilde - unsichtbar in der absoluten Schwärze des Energievakuums, selbst den fortgeschrittensten Meßinstrumenten unverständlich, eine Scheibe aus Nichts, zweitausend Lichtjahre im Durchmesser, einhundert Lichtjahre dick.
„Der Frostrubin!" hauchte Clyvanth-Oso-Megh. „Er bewegt sich nicht mehr."
Fünfhundert porleytische Standardjahre blieb die Plattform an Ort und Stelle. Dann erst waren die Wissenschaftler und Techniker um Clyvanth-Oso-Megh überzeugt, daß dem chaotischen Toben des Frostrubins für immer Einhalt geboten sei. Es entging ihnen nicht, daß Raumfahrer fremder, zumeist avenoider Arten sich im Gewirr der erstarrten Trümmerbrocken niederließen. Es fiel ihnen nicht schwer zu erraten, daß es sich bei diesen um Hilfsvölker der fremden Superintelligenz handelte, die den Auftrag erhalten hatten, das monströse Gebilde von den Fesseln der Rotationsenergie zu befreien. Aber darum machten sie sich keine Sorgen. Es war prinzipiell möglich, den Frostrubin wieder freizusetzen. Aber jede derartige Anstrengung mußte Millionen von
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