1162 - Kampf um Terra
schwammartige gelbgrüne Pseudomoos.
„Das ist erstaunlich", sagte Chthon. „Es sieht so aus, als wollte die Xenoflora dir ein Friedensangebot machen."
„Ich denke nicht, daß wir so weitreichende Schlüsse ziehen dürfen"; entgegnete Lai und blieb unter einem Olivenbaum stehen, der vor wenigen Minuten mit Herbiziden und Fungiziden besprüht worden war. „Es liegt wahrscheinlich daran, daß zwischen Pflanzen und mir schon immer eine starke Affinität bestanden hat." Sie lächelte versonnen. „Man hat mir die sogenannten Grünen Finger nachgesagt. Alles, was ich gesät und angepflanzt habe, gedieh besonders prächtig. Für mich war das selbstverständlich, denn mein Verhalten zu Pflanzen wurde stets durch Liebe und Bewunderung bestimmt und ich wußte schon als Kind, daß die Pflanzen das spüren und sich entsprechend wohl fühlen."
„Du liebst auch diese Pflanzen?" fragte der Unheimliche verwundert.
„Ich bin innerlich gespalten", sagte die Öko-Architektin leise. „Natürlich fürchte ich die Folgen der neuen Plage für die Menschen der Erde. Dennoch kann ich nicht anders, als auch diese Pflanzen zu lieben und zu bewundern."
„Wenn alle Menschen so empfänden wie du, wäre die Xenoflora vermutlich völlig ungefährlich", erklärte Chthon. „Aber solche Empfindungen lassen sich nicht verordnen."
„Aber ein bestimmtes Verhalten läßt sich erreichen", erklärte Lai, doch dann schüttelte sie traurig den Kopf. „Leider genügt das nicht. Wenn das Verhalten der Menschen nicht von adäquaten Gefühlen begleitet wird, bleibt es für die Xenoflora unverständlich - und das ist nicht einmal mehr unser einziges Problem."
Sie deutete auf einige Früchte, die zu Boden gefallen waren. Aus ihnen trieben gelblich fahle Sprosse. Aber das war nicht alles. Ihre Oberflächen waren in Bewegung geraten.
Aus zahllosen Öffnungen, die sich darin bildeten, schlüpften kleine grünschillernde Insekten, die innerhalb weniger Sekunden je vier lange häutige Flügel entfalteten und mit ihnen nach Libellenart davonflogen.
„Es gibt nicht mehr nur die Xenoflora, sondern jetzt auch eine Xenofauna", stellte Lai fest. „Das ist das zweite Problem, und ich fürchte, es wird sehr viel schwerer zu lösen sein als das erste."
*
Als Reginald Bull auch nach anderthalbstündiger Suche und trotz der Unterstützung durch ein Dutzend Katastrophenhelfer und rund hundert Roboter keine Spur von Peighton gefunden hatte, rief er bei Tifflor an und bat den alten Freund um Rat.
„Halte mich nicht für hartherzig, Bully", sagte der Erste Terraner. „Aber ich rate dir dringend, ins HQ-Hanse zurückzukehren. Ich werde herüberkommen, damit wir das weitere Vorgehen besprechen können. Die Lage spitzt sich dramatisch zu. Die Xenoflora explodiert förmlich. Alle Sprühaktionen erzielten nur flüchtige Erfolge, denn das Zeug regeneriert sich unheimlich schnell und erlangt dabei noch Immunität gegen unsere Spritzmittel."
„Das habe ich halb erwartet", erwiderte Bull. „Wir müssen eben die Ausbreitung durch Strahlenbeschuß eindämmen und gleichzeitig auf gentechnischer Basis nach wirksamen Abwehrmitteln suchen. Haben unsere Wissenschaftler die Ursache für die Metamorphose gefunden?"
„Es sind Viren", antwortete Tifflor. „Ursprünglich kamen offenbar Viren durch die Perforation zu uns, die noch nicht auf die einzelnen Pflanzenarten spezialisiert waren.
Dadurch führten die ersten Metamorphosen zur Ausbildung einer wenig differenzierten Xenoflora. Inzwischen hat ein gegenseitiger Anpassungsprozeß stattgefunden, und die Differenzierung schreitet lawinenartig fort. Bully, du mußt so schnell wie möglich herkommen. Wenn die Entwicklung so weitergeht wie bisher, sind einige ziemlich drakonische Maßnahmen fällig. Unter diesen Umständen können wir keine Rücksicht mehr auf Gals Schicksal nehmen."
„Ich komme", erwiderte Bull schweren Herzens.
Seine Entscheidung wurde ihm erleichtert, als er vom Leiter seiner Helfer erfuhr, daß von den rund hundert Robotern inzwischen mehr als die Hälfte aus ungeklärten Ursachen ausgefallen war. Er bat den Mann, die Suche nach Deighton fortzusetzen, solange die Sicherheit der beteiligten Menschen gewährleistet war. Danach startete er mit seinem Gleiter zum Rückflug.
Bereits kurz nach dem Start stellte er erschrocken fest, daß Tifflors Aussage über die Zuspitzung der Lage keine Übertreibung gewesen war. Auf den ersten Blick wirkte das Grün des Central Parks gesünder als je zuvor,
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