1162 - Kampf um Terra
NATHAN ein. „Ich empfehle die Begrenzung auf ein Gebiet, in dem die Xenoflora weitgehend vernichtet und ihre Überreste geschwächt sind. Allerdings halte ich eine totale Evakuierung aller Menschen aus diesem Gebiet für notwendig, da zuverlässige Berechnungen über die Art und Weise möglicher ganz neu Entstehender Gene bisher unmöglich sind."
Bull schluckte.
„Wahnsinn! Willst du damit andeuten, daß durch den Kampf zwischen Xenoviren und Gegenviren Menschen genetisch geschädigt werden können?"
„Das ist leider nicht auszuschließen", antwortete die Inpotronik.
„Dann müssen wir auf den Einsatz der Gegenviren verzichten", erklärte Bull. „Niemand von uns könnte es verantworten, ein solches Risiko hinzunehmen. Eine genetische Verseuchung der Menschheit! Ich wage nicht einmal, gründlich darüber nachzudenken."
„Ich bin deiner Meinung", sagte Tifflor.
„Ich auch", erklärte Waringer. „Aber irgend etwas müssen wir unternehmen."
Flüchtig dachte Reginald Bull an das, was Lai Nurgowa ihm gesagt hatte. Aber noch weigerten sich sein Verstand und sein Gefühl, die Xenoflora und damit eine verfremdete Erde in Kauf zu nehmen. Dennoch wünschte er sich Lai herbei. Vielleicht fanden sie mit ihrer Hilfe eine akzeptable Lösung.
„Soeben wird von mehreren Stellen das Auftreten fremdartiger Insekten gemeldet", berichtete NATHAN. „Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß nach der Metamorphose der Flora nunmehr eine Metamorphose der Fauna in Gang kommt."
Bull setzte sich in den nächsten Sessel. Für Sekunden erschien vor seinem geistigen Auge eine Schreckensvision: Alle Tiere der Erde hatten sich in geifernde Ungeheuer verwandelt, die kein anderes Ziel kannten, als über die Menschen herzufallen.
In seiner Verzweiflung klammerte er sich an einen Strohhalm.
„Diese Metamorphose wird sich auf Insekten beschränken", stellte er mit neu erwachender Zuversicht fest. „Alle anderen Lebewesen sind biologisch ungeeignet für Metamorphosen. NATHAN, stelle den Wissenschaftlern auf der LOUIS PASTEUR die Aufgabe, mit Hilfe der Genchirurgie Insektenfresser zu züchten und in Massen zu produzieren. Wie sieht es auf Luna aus? Ist dort Xenoleben aufgetreten?"
„Nur in einigen kleineren Stationen", antwortete die Inpotronik. „Sie wurden vernichtet, nachdem die menschlichen Besatzungen dekontaminiert und evakuiert worden waren.
Mein Komplex selbst ist dank dem permanenten Schutz durch Paratronschirme verschont geblieben."
„Dann setzen wir die Labors deines Komplexes zur Massenproduktion der Insektenfresser ein!" entschied Bull resolut. „Die Kapazität der LOUS PASTEUR reicht dazu nicht aus. Einverstanden, Tiff und Geoff?"
Tifflor und Waringer nickten, offenkundig erleichtert darüber, daß Bull die Sache so energisch und zielstrebig anging.
Auch NATHAN hatte nichts dagegen einzuwenden.
„Das wird sofort veranlaßt", erklärte er. „Aber ich bitte darum, darüber nicht das Problem zu vergessen, das die Xenoflora unverändert darstellt."
„Auch da wird sich eine Lösung finden", sagte Reginald Bull und dachte abermals an Lai Nurgowa - und wieder schreckte er vor den Konsequenzen zurück, die eine Übernahme ihrer Vorstellungen mit sich bringen würden.
6.
Die Schirmalge Acetabularia ist ein merkwürdiges Meereslebewesen. Ihre Größe von bis zu sieben Zentimetern vermochte allerdings nur dann zu beeindrucken, wenn man wußte, daß es sich um ein einzelliges Lebewesen handelt.
Diese Riesenzelle lebt an den Küsten tropischer und subtropischer Meere und haftet mit ihrem Fußstück am steinigen Untergrund. Sie hat sich an das Leben in den Brandungszonen mit ihren häufig sehr harten Wasserturbulenzen evolutionär hervorragend angepaßt. Wird ihre obere Hälfte abgerissen, dann baut das am Meeresboden haftende Fußstück das verlorengegangene obere Teil wieder auf, denn dort im Fußstück befindet sich ihr Zellkern als Sitz der DNA, der Erbsubstanz, die mit der von ihr ausgesandten messenger-RNA die Regeneration steuert.
Wie viele Gen-Forscher hatte sich auch Muai Nurgowa eine Acetabularia-Bank zugelegt, weil sich diese Riesenzellen für genetische Experimente wegen ihrer guten „Handlichkeit" förmlich anboten. Man brauchte nicht unbedingt ein Ultra-Elektronen-Mikroskop, um ihre mikrobiologischen Vorgänge zu erforschen und Experimente anzustellen. Oft genügten dazu Schere und Pinzette.
Muai war ein wenig anspruchsvoller ausgerüstet. Deshalb war es für sie nicht schwierig, eine Anzahl
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