1162 - Kampf um Terra
„Wirtszellen" besessen, sondern ausnahmslos die Zellen aller im Garten vorhandener Pflanzenarten befallen und ihren genetischen Charakter verändert. Es mußte dadurch unbemerkt zu einer vorübergehenden Monotonie des genetischen Nachwuchses gekommen sein, die aber endete, bevor sie sichtbar in Erscheinung getreten war, indem die Pseudoviren sich an den jeweiligen genetischen Charakter der befallenen Zellen gerade ausreichend anpaßten, um die ursprüngliche Vielfalt wiederherzustellen - wenn auch in äußerlich völlig verändertem Gewand.
Das war die Gewißheit, die Muai benötigt hatte, um den Weg zu sehen, den die Menschheit beschreiten mußte, um sich eine hoffnungsvolle Zukunft zu sichern - wobei nicht vergessen werden durfte, daß sie stets in Genen dachte, wenn sie Menschheit sagte.
Sie wandte sich ihrem Roboter zu, der die neuen Pflanzen ebenso liebevoll betreute wie ehedem die alten.
„Julius, du wirst unseren Gleiter waschen und die Polster säubern! Wir müssen nach Terrania, und ich fürchte, die normalen Verkehrsverbindungen sind wieder einmal ausgefallen. Also müssen wir unser Vehikel strapazieren, und ich möchte eine so lange Reise nicht schon in einem schmutzigen Fahrzeug antreten."
*
Lai Nurgowa träumte, sie wanderte durch einen Garten Eden, in dem Menschen, Tiere und Pflanzen in vollendeter Harmonie lebten.
Als sie auf eine helle Lichtung trat, sah sie Reginald Bull mit einem Korb voller apfelgroßer roter Früchte an einer sprudelnden Quelle kauern. In seiner Begleitung befand sich ein elfenhaft zartes Wesen. Es war ebenso „paradiesisch" gekleidet wie Bully, Lai und alle anderen Menschen, nämlich mit einem Feigenblatt.
Bully versuchte, eine der Früchte zu schälen.
„Du mußt die Schale mitessen!" sagte Lai. „Im Garten Eden gibt es keinen Abfall."
„Nein, er darf es nicht tun!" widersprach die Elfe. Ihre Stimme klang so schrill, daß Lai sofort Abneigung gegen dieses Wesen empfand.
„Vielleicht wäre es aber besser so", erklärte eine andere, seltsam körperlose Stimme.
Lai blickte sich suchend um, vermochte aber den Sprecher nicht zu sehen. Sie wußte dennoch, daß es sich um einen Sprecher gehandelt hatte und nicht um eine Sprecherin.
Bully schwieg sich aus.
Er blickte lediglich zweifelnd von Lai zu seiner elfenhaften Begleiterin und wieder zurück.
„Iß nur, Bully!" sagte Lai.
„Ich lasse es nicht zu!" protestierte die Elfe. „Lai! Du mußt mir helfen!"
Diese Worte wurden so eindringlich, ja flehend, gesprochen, daß Lai Nurgowa erwachte.
Im ersten Moment sah sie nur den von einem leuchtenden Hof umgebenen Vollmond und dahinter eine von farblichen Streifen durchzogene schmutziggraue Fläche.
Der Schreck über den Anblick des Grauen Korridors, der in ihren Traum nicht einmal als vage Erinnerung existent gewesen war, ließ sie aus ihrer liegenden Stellung hochfahren.
Ihre Hände griffen in ein warmes, feuchtes Pflanzenpolster.
„Beruhige dich!" sagte eine männliche Stimme, die Lai als die des körperlosen Sprechers aus ihrem Traum wiedererkannte.
Erst dann sah sie die Schattengestalt vor sich stehen, schwarze Augäpfel mit strahlend weißen Pupillen dämonisch aus einem farblosen Gesicht leuchtend, dessen Züge eben noch seltsam unbestimmt erschienen, beim weiteren Hinschauen aber kantighart hervortraten. Das overallähnliche Nebelwams veränderte sich laufend: mal schien es aus festem Material zu bestehen, dann wieder wurde es durchscheinend, ohne daß deswegen dahinter ein Körper sichtbar geworden wäre.
„Chthon!" flüsterte Lai. „Was geschieht mit dir?"
Der Unheimliche lächelte schmerzlich.
„Die Abgründe von Raum und Zeit ziehen an meinem Kokon", erklärte Chthon. „Ihr Sog wird immer stärker, je länger wir getrennt sind. Aber das ist nichts, worüber du dir Sorgen machen mußt, Lai."
„Aber um Gal mußt du dir Sorgen machen!" schrillte die Stimme der Elfe aus ihrem Traum in Lais linkem Ohr.
Unwillkürlich hob sie die Hand und wollte sich ans Ohr fassen.
„Nein! Nein!" rief die Elfenstimme. „Du wirst mich zerquetschen!"
„Es ist Digitalis Aura", sagte Chthon und seufzte. „Ich konnte ihn nicht davon abhalten, dich zu wecken."
„Diggi?" sagte Lai verwundert. „Aber das war nicht seine Stimme."
„Du hattest früher immer nur meinen Stimmverstärker gehört und nicht meine wirkliche Stimme", schrillte es in ihr linkes Ohr. „Aber ich habe ihn verloren. Deshalb mußte ich schreien. Ich bitte um Verzeihung, wenn meine
Weitere Kostenlose Bücher