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1167 - Die Tochter des Dämons

1167 - Die Tochter des Dämons

Titel: 1167 - Die Tochter des Dämons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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wie ein Schock vor. Sie dachte dann auch an die Beerdigung, die mit das Schrecklichste überhaupt in ihrem Leben gewesen war. Nachdem die anderen Menschen die Stätte verlassen hatten, war sie noch lange am Grab stehen geblieben und hatte sich den Erinnerungen und Gedanken hingegeben.
    Alina blickte zum Himmel, der schon mächtige graue Flecken bekommen hatte. Von Westen zogen sie heran und schienen aus dem verschwundenen Rot der untergehenden Sonne gestiegen zu sein, um sich dann in das letzte Licht des Tages hineinzudrängen. Der Himmel hatte dort die Farbe eines großen windstillen Ozeans bekommen. Er sah leicht bleiern aus, und Alina dachte daran, dass sich dort irgendwo in der Unendlichkeit zwischen Himmel und Erde auch die Seele ihres Vaters befinden musste. Es ging ja nichts verloren auf der Welt. Es wandelte sich nur vieles in eine andere Zustandsform um.
    So auch hier.
    Sie seufzte leise. Gedanken überschwemmten sie, und wieder hatte sie dabei das Gefühl, allmählich mit ihrem verstorbenen Vater in Kontakt zu treten. Das konnte sie sich auch einbilden, aber gerade an diesem Abend war das Gefühl besonders stark.
    Sie fühlte etwas in sich hochsteigen. Erklären konnte Alina es sich nicht. Es war möglicherweise eine andere Macht, die den Menschen sehr überlegen war, und die sich jetzt allein auf sie, Alina, konzentrierte. Plötzlich veränderte sich ihr Seelenzustand. Sie fühlte sich auf einmal leicht und beschwingt. Von außen her war es auf sie eingedrungen und ließ sich auch nicht wegdiskutieren. Es steckte in ihr. Es war etwas, was sie nie zuvor gespürt hatte, und als Alina auf ihre Hände schaute, da entdeckte sie die Gänsehaut.
    Es war keine Folge von Angst, denn die verspürte sie nicht. Sie musste sich dem anderen hingeben.
    Dieser neuen und fremden Kraft, die Alina einhüllte.
    Sie legte den Kopf zurück, denn sie wollte den Wind auf ihrer Haut spüren. Alina wusste, dass sie ein Phänomen erlebte. Etwas, das nicht mehr lebte, hatte mit ihr Kontakt aufgenommen. Es hatte eine andere Sphäre verlassen und drängte nun gegen und in sie hinein, und sie nahm es wie ein großes Wunder auf.
    Etwas rauschte in ihrem Kopf. Was es genau war, wusste sie nicht. Auch dass sie ihre Lippen bewegte, bekam sie kaum mit, aber sie stellte eine Frage, die nur aus einem Wort bestand.
    »Vater…?«
    Dieses halblaut gesprochene Wort entfachte einen neuen Strom. Diesmal kam er nicht von außen. Er baute sich in ihrem Innern auf. Es war faszinierend und unheimlich zugleich. Sie hatte den Eindruck, den Boden unter den Füßen zu verlieren und langsam in die Höhe zu schweben.
    »Vater…?« Noch einmal fragte sie und senkte dabei den Kopf so tief, dass ihr Blick über das Grab hinwegglitt.
    War das Licht echt?
    Alina erstarrte. Das Grab ihres Vaters lag plötzlich im Licht. Sie fand die Ursache der Strahlung nicht heraus. Wahrscheinlich lag sie tief in der Erde verborgen, denn die Sonne schickte ihr Licht nicht mehr in die Welt. Außerdem war diese Strahlung ganz anders. Das rationale Denken war bei Alina verschwunden, sie gab sich voll und ganz dem neuen Phänomen hin.
    Konnte sich ein Toter melden?
    Ja, es musste so sein. Es gab für sie keine andere Lösung. Das Licht musste mit ihrem Vater zu tun haben, und auch die neutrale Stimme in ihrem Kopf konnte nur ihm gehören.
    Dass ein Toter zu ihr sprach, realisierte sie nur am Rande. Es war jetzt nicht wichtig, aber die Knie zitterten so stark, dass Alina sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Sie spürte den Druck, der sie nach vorn zog, und sie gab ihm nach.
    Alina fiel auf die Knie.
    Vor dem Grab ihres Vaters blieb sie knien, den Blick dabei nach unten gerichtet. Ob es am letzten Licht lag oder ob andere Dinge die Schuld daran trugen, das wusste die junge Frau nicht, das Grab war für sie zu einer glänzenden Fläche geworden, in die sie allerdings nicht hineinschauen konnte und das Licht mehr als Spiegel ansah, aus dessen Tiefe etwas an sie herantrat, das nicht mehr lebte, aber dennoch vorhanden war.
    »Alina…«
    Es war der Wind, es war die Stimme. Die Frau erstarrte, denn jetzt war sie sich völlig sicher.
    Ihr toter Vater hatte zu ihr gesprochen…
    ***
    Manchmal kann die Angst wie ein scharfes Fallbeil sein. Nicht bei Alina. Auch sie spürte dieses andere Gefühl, aber es war keine Angst vor dem Unwahrscheinlichen. Bei ihr verwandelte sich das Gefühl in eine gewisse Freude darüber, dass sie die Stimme aus dem Grab oder woher auch immer gehört

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