1175 - Zeitbeben
sind. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät."
„NATHAN!" rief Danton entrüstet, doch da hatte die Biopositronik die Verbindung bereits unterbrochen.
„Was ist nur in sie gefahren?" sagte Bradley von Xanthen.
„Das klang gerade so, als wollte sie uns Vorschriften machen", meinte Danton.
Demeter lachte glockenhell.
„Männer!" sagte sie scherzhaftabfällig. „Habt ihr denn ganz vergessen, daß die Biopositronik nicht nur ein denkender, sondern auch ein fühlender Komplex ist?"
„Natürlich nicht", gab Roi zurück. „Aber was hat das mit ihrem respektlosen Verhalten zu tun?"
„Sie ist eifersüchtig", erklärte Demeter. „Darauf wärt ihr nicht gekommen, wie? Dabei ist das doch verständlich. Nicht nur, daß wir uns seit dem Bündnis mit Vishna nicht mehr um NATHAN gekümmert haben, nein, bis auf wenige Ausnahmen steckt die gesamte Menschheit mit dem Virenimperium praktisch unter einer Decke. Dazu kommt, daß es mit seiner Informationsfülle und seiner ungeheuren Leistungskapazität und dynamischen Vielseitigkeit NATHAN tatsächlich haushoch überlegen ist. Unter solchen Umständen mußte die Inpotronik zwangsläufig Minderwertigkeitskomplexe entwickeln und sich zurückgesetzt fühlen."
Von Xanthens Miene drückte Betroffenheit aus.
„Und wir haben auch noch Öl in ihr Feuer gegossen", stellte er fest.
„Ja, ihre Stimme klang richtig zornig", meinte Danton. „Eifersüchtig, pah! Sie kennt doch alle Fakten und kann sie richtig interpretieren. Folglich weiß sie, daß wir zur Zeit gar nicht anders können, als intensiv mit dem Virenimperium zusammenzuarbeiten. Anders lassen sich unsere Probleme gar nicht lösen. Sie beruhigt sich schon wieder."
Er ging zum großen Hyperkom, auf dessen Trivideoschirm das Abbild Reginald Bulls zu sehen war, gehüllt in seine Sturmreiter-Rüstung aus schwarzen Viren.
Aber bevor er den Hyperkom erreichte, fuhr ein greller weißer Blitz über den Bildschirm.
Als er erlosch, war der Schirm dunkel. Von irgendwoher ertönte ein anschwellendes dumpfes Grollen. Der Boden vibrierte. Irgendwelche Gegenstände klirrten. Benny Fleuron sprang hastig auf, verwechselte die Füße, stolperte gegen seinen Roboter und ging mit ihm zu Boden.
Demeter schrie erschrocken auf und deutete auf einen Bildschirm der Außenbeobachtung.
Roi eilte zu ihr, aber ehe er eine Frage stellen konnte, sah er es selbst.
Der Zeitturm Stein Nachtlichts war in ein fahles grünes Leuchten getaucht, das aus seinem Innern zu dringen schien. Gleichzeitig pulsierte er heftig.
Roi spürte, wie ihn Entsetzen gleich einer eisigen Woge überschwemmte, als grelle Blitze von Stein Nachtlichts Turm zu den anderen Zeittürmen übersprangen und sich das fahle grüne Leuchten über die Plätze, Häuser und Straßen von Terrania ausbreitete.
Synchron dazu verdunkelte sich der Himmel. Sogar das hellblaue Leuchten der Minierden wurde schwächer.
„Was bedeutet das?" stammelte Bradley von Xanthen erschrocken.
„Taurec, Vishna und Ellert!" Roi schrie, um das lauter gewordene Grollen zu übertönen.
„Wir müssen sie herausholen!"
Er stürzte zum Schott und nahm noch wahr, daß Demeter und Bradley ihm folgten.
Dann hatte er das Gefühl, sein Gehirn stülpte sich von innen nach außen - und im nächsten Moment fühlte er überhaupt nichts mehr...
2.
Als Roi Danton wieder zu sich kam, fror er. Als nächstes merkte er, daß er auf dem Bauch lag. Unter seinen Fingern spürte er eine nachgiebige, feinkörnige Masse.
Er wälzte sich auf die Seite.
Seine Augen weiteten sich, als er unmittelbar vor sich eine spärlich mit Gras bewachsene reifbedeckte Sandfläche sah. Die dürren Halme bewegten sich in einem eiskalten Wind.
Stöhnend stemmte sich Danton auf die Knie. Sein Blickfeld erweiterte sich. Parallel dazu verstärkte sich sein Entsetzen.
Die Wüste war nicht überall. Sie war im Grunde genommen gar keine richtige Wüste, sondern nur ein wenige hundert bis etwa tausend Meter breiter Streifen Kältesteppe, der sich mitten durch Terrania hinzog und an seinen Rändern mit Ruinen bestanden war.
Nein! korrigierte sich Roi. Keine echten Ruinen, sondern Teile tadellos erhaltener Bauten. Die fehlenden Teile waren wie mit gigantischen Klingen sauber weggeschnitten worden und hatten sich anscheinend aufgelöst. Das traf auch auf das Hauptquartier der Hanse zu. Roi lag auf einer Fläche, auf der sich zuvor der größte Teil der Bauten des Hauptquartiers befunden hatte. Sie waren ebenso verschwunden wie die
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