1196 - Die Macht der Druidin
Stimme einer Frau gewesen.
Sie erhielt keine Antwort.
Plötzlich wurde die Zeit irrsinnig lang und auch zugleich verdammt kurz. Ich wusste nicht mehr, was mit mir los war, und erlebte tatsächlich eine regelrechte Achterbahnfahrt. Ich war einmal oben und dann wieder unten. Es war nicht zu fassen, und ich wollte auch nicht daran glauben, dass es die Stimme in der Wirklichkeit gegeben hatte. Vielleicht entsprach sie meinem Wunschtraum, aber keiner der vier Killer hatte bisher abgedrückt.
Es war verrückt.
Ich schwebte zwischen Himmel und Hölle. Ich merkte, dass meine aufgestützten und starr gewordenen Arme zitterten. Am liebsten hätte ich mich sacken lassen, um so der unnatürlichen Haltung zu entkommen. Aber ich wusste nicht, wie die andere Seite darauf reagieren würde.
»Stopp?«, wiederholte der Sprecher fragend.
»Ja, ich will nicht, dass er erschossen wird.«
»Warum nicht?«
»Lass es.«
Der Parfümgeruch intensivierte sich. Für mich war klar, dass die Person jetzt näher kam, und ich vernahm auch ihre schleichenden Schritte.
Dann blieb sie stehen.
Ich sah sie und sah sie trotzdem nicht, denn sie baute sich neben dem Anführer vor mir auf. Ich sah zwei Beine, die in einer Hose steckten, mehr auch nicht. Auf die schwarzen halbhohen Stiefel achtete ich nicht. Mir fiel nur auf, dass an ihrem rechten Fuß ein Blatt klebte, und der Parfümgeruch blieb.
Er war so stark und kräftig, dass er irgendetwas überdecken wollte. Man glich einen anderen Gestank mit diesem Geruch aus, aber welcher sollte überdeckt werden?
Leichengeruch? Verwesung? Der von altem, verfaultem Fleisch?
»Er hat uns gestört!«
»Ich weiß!«
»Er hat zu viel gesehen!«
»Was denn?«
»Den…«
»Es reicht. Er kann damit nichts anfangen. Er wird es für einen Traum halten.«
»Gut, wenn du das sagst.«
Ich war heilfroh über die Macht dieser Frau, denn sie hatte mir zunächst das Leben gerettet. Noch hatte ich die gesamte Klippe nicht übersprungen und wartete zitternd ab.
»Was sollen wir also tun?« fragte der Mann.
»Schafft ihn weg!«
»Wohin?«
»Genau dorthin, wo er hergekommen ist.«
»Ich weiß nicht…«
»Lüg nicht!«, fuhr ihm die Frau in die Parade, »ich habe alles gehört. Sein Wagen muss an der Straße stehen.«
Der Mann versuchte es ein letztes Mal. »Er wird nichts vergessen. Er wird zurückkehren und Nachforschungen anstellen. Es war keine normale Neugierde, die ihn hergetrieben hat. Versteh das doch. Das hätte niemand sonst getan. Nur jemand, der sich auskennt. So neugierig kann kein Mensch sein.«
»Vielleicht hast du Recht. Aber ich lasse mich auf das Risiko ein. Gib mir deine Waffe!«
Es dauerte eine Weile, bis der Austausch stattgefunden hatte. Mein Puls- und Herzschlag beschleunigte sich wieder. Ich merkte auch, dass ich einen roten Kopf bekam. War doch alles vorbei?
Die Beine der Frau bewegten sich. Sie traten etwas zurück, dann fiel ein gebückter Schatten über mich, und wieder strömte mir der Geruch des Parfüms entgegen.
Ich sah die langen Haare nicht, aber auf dem Boden bildeten sie einen Schatten, der auf- und niedertanzte. Ihr Gesicht zeigte sie mir nicht, doch ich hörte ihre Stimme. Und ihr Flüstern war nur für mich wahrnehmbar.
»Ich freue mich schon auf dich…«
Die Worte hinterließen bei mir einen elektrisierenden Effekt. Wieso freute sie sich auf mich? Wie war das möglich? Doch nur, wenn sie mich kannte.
Ich wollte den Kopf und ihr Gesicht sehen. Es konnte sein, dass ich sie auch schon gesehen hatte, das ließ die unbekannte Frau nicht zu. Am Boden zeichnete sich ab, wie sie den rechten Arm mit der Waffe hob und dann zuschlug.
Sie traf meinen Kopf.
Ich war schon angeschlagen, sonst hätte der Schlag wohl nicht ausgereicht.
Diesmal schon.
Und so verabschiedete ich mich aus dem Bewusstsein…
***
Es war kalt - verdammt kalt sogar. Die Kälte war wie ein heimlicher Dieb, der sich durch nichts aufhalten ließ. Auch nicht von der Außenhaut eines Fahrzeugs, in dem ich meinen Platz gefunden hatte.
Ich lag vorn. Mit dem Rücken auf dem Fahrer- und dem Beifahrersitz. Die Schmerzen zuckten wie böse Botschaften durch meinen Kopf, und ich schaffte es nicht, sie zu vertreiben.
In meinem Mund lag ein Geschmack, der diesen Ausdruck gar nicht verdiente. Meine Augenlider waren schwer. Ich hatte Mühe, die Augen zu öffnen und meine Umgebung zu betrachten, die mir zuerst nur finster vorkam.
Allmählich wusste ich, wo man mich abgelegt hatte. Ich kannte die Umgebung
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