12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
Westen!
Halef machte ein sehr befriedigtes Gesicht und meinte:
„Sie ist der Wekil und er die Wekila, und wir stehen uns hier besser am Giölgeda wekilanün, im Schatten der Statthalterin, als wenn wir ein Bu-Djeruldu hätten und der Giölgeda padischahnün, der Schatten des Großherrn, uns beschützte. Hamdullillah, Preis sei Allah, daß ich nicht so glücklich bin, der Wekil dieser Statthalterin zu sein!“ – – –
DRITTES KAPITEL
Im Harem
Es war um die Zeit, in welcher die ägyptische Sonne ihre Strahlen mit der gesteigertsten Glut auf die Erde sendet und ein jeder, den nicht die Not hinaus unter den freien Himmel treibt, sich unter den Schutz seines Daches zurückzieht und nach der möglichsten Ruhe und Kühlung strebt.
Auch ich lag auf dem weichen Diwan meiner gemieteten Wohnung, schlürfte würzigen Mokka und schwelgte im Duft des würzigen Djebeli, welcher meiner Pfeife entströmte. Die starken, nach außen fensterlosen Mauern boten dem Sonnenbrand Einhalt, und die aufgestellten porösen Tongefäße, durch deren Wände das Nilwasser verdunstete, machten die Atmosphäre so erträglich, daß ich von der während der Mittagszeit hier so gewöhnlichen Abspannung des Menschen wenig oder gar nichts bemerkte.
Da erhob sich draußen die scheltende Stimme meines Dieners Halef Agha.
Halef Agha? Ja, mein guter, kleiner Halef war ein Agha, ein Herr geworden, und wer hat ihn dazu gemacht? Spaßhafte Frage! Wer denn sonst als er selbst!
Wir waren über Tripolis und Kufarah nach Ägypten gekommen, hatten Kairo besucht, welches der Ägypter schlechtweg El Masr, die Hauptstadt, oder noch lieber el Kahira, die Siegreiche, nennt, waren den Nil, so weit es mir meine beschränkten Mittel erlaubten, hinaufgefahren und hatten uns dann zum Ausruhen die Wohnung genommen, in welcher ich mich ganz wohl befunden hätte, wenn nicht mein sonst ganz prächtiger Diwan und alle Teppiche sehr dicht von jenen springfertigen, stechkundigen Geschöpfen heimgesucht worden wären, von welchen der alte, gute Fischart dichtete:
„Mich bizt neizwaz, waz mag daz sein?“ und von denen man außer dem großäugigen Pulex canis und dem rötlichen Pulex musculi noch den allbeliebten Pulex irritans und den wütenden Pulex penetrans kennen gelernt hat. Leider muß ich sagen, daß Ägypten nicht das Jagdgefilde des ‚irritans‘, sondern des ‚penetrans‘, also nicht des ‚reizenden‘ sondern des ‚durchdringenden‘ Pulex ist, und so brauche ich wohl nicht hinzuzufügen, daß mein Kef, meine Mittagsruhe, nicht ganz ohne alle Belästigung geblieben war.
Also draußen erhob sich die scheltende Stimme meines Dieners Halef Agha, die mich aus meinen Träumen weckte:
„Was? Wie? Wen?“
„Den Effendi“, antwortete es schüchtern.
„Den Effendi el kebihr, den großen Herrn und Meister willst du stören?“
„Ich muß ihn sprechen.“
„Was? Du mußt? Jetzt, in seinem Kef? Hat dir der Teufel – Allah beschütze mich vor ihm! – den Kopf mit Nilschlamm gefüllt, so daß du nicht begreifen kannst, was ein Effendi, ein Hekim, zu bedeuten hat, ein Mann, den der Prophet mit Weisheit speist, so daß er alles kann, sogar die Toten lebendig machen, wenn sie ihm nur sagen, woran sie gestorben sind!“
Ach, jawohl, ich muß es eingestehen, daß mein Halef hier in Ägypten viel, viel anders geworden war! Er war jetzt außerordentlich stolz, unendlich grob und heillos aufschneiderisch geworden, und das will im Orient viel sagen.
Im Morgenland wird jeder Deutsche für einen großen Gärtner und jeder Ausländer für einen guten Schützen oder für einen großen Arzt gehalten. Nun war mir unglücklicherweise in Kairo eine alte, nur noch halb gefüllte homöopathische Apotheke von Willmar Schwabe in die Hand gekommen; ich hatte hier und da bei einem Fremden oder Bekannten fünf Körnchen von der dreißigsten Potenz versucht, dann während der Nilfahrt meinen Schiffern gegen alle möglichen eingebildeten Leiden eine Messerspitze Milchzucker gegeben und war mit ungeheurer Schnelligkeit in den Ruf eines Arztes gekommen, der mit dem Scheïtan im Bund stehe, weil er mit drei Körnchen Durrhahirse Tote lebendig machen könne.
Dieser Ruf hatte in dem Kopf meines Halef eine gelinde Art von Größenwahn erweckt, der ihn aber glücklicherweise nicht hinderte, mir der treuste und aufmerksamste Diener zu sein. Daß er am meisten beitrug, meinen Ruhm zu verbreiten, das versteht sich ganz von selbst; er war ganz und gar in das schmachvolle Laster des
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