12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
weiland Barons Münchhausen senior verfallen und versuchte nebenbei, durch eine Grobheit zu glänzen, welche klassisch zu werden drohte.
So hatte er sich, unter anderem, von seinem geringen Lohn eine Nilpeitsche gekauft, ohne welche er gar nicht zu sehen war. Er kannte Ägypten von früher her und behauptete, daß ohne Peitsche da gar nicht auszukommen sei, weil sie größere Wunder tue als Höflichkeit und Geld, von welchem letzteren mir allerdings kein großer Überfluß zur Verfügung stand.
„Gott erhalte deine Rede, Sihdi“, hörte ich die bittende Stimme wieder; „aber ich muß deinen Effendi, den großen Arzt aus Frankhistan, wirklich sehen und sprechen.“
„Jetzt nicht.“
„Es ist sehr notwendig, sonst hätte mich mein Herr nicht gesandt.“
„Wer ist dein Herr?“
„Es ist der reiche und mächtige Abrahim-Mamur, dem Allah tausend Jahre schenken möge.“
„Abrahim-Mamur? Wer ist denn dieser Abrahim-Mamur, und wie hieß sein Vater? Wer war der Vater seines Vaters und der Vater seines Vatervaters? Von wem wurde er geboren und wo leben die, denen er seinen Namen verdankt?“
„Das weiß ich nicht, Sihdi, aber er ist ein mächtiger Herr, wie ja schon sein Name sagt.“
„Sein Name? Was meinst du?“
„Abrahim-Mamur. Mamur heißt Vorsteher einer Provinz, und ich sage dir, daß er wirklich ein Mamur gewesen ist.“
„Gewesen? Er ist es also nicht mehr?“
„Nein.“
„Das dachte ich mir. Niemand kennt ihn, selbst ich, Halef Agha, der tapfere Freund und Beschützer meines Gebieters, habe noch nie von ihm gehört und noch nie die Spitze seines Tarbusch gesehen. Gehe fort, mein Herr hat keine Zeit.“
„So sage mir, Sihdi, was ich tun muß, um zu ihm zu kommen!“
„Kennst du nicht das Wort von dem silbernen Schlüssel, der die Stätten der Weisheit erschließt?“
„Ich habe diesen Schlüssel bei mir.“
„So schließe auf.“
Ich horchte gespannt und vernahm das leise Klimpern von Geldstücken.
„Ein Piaster? Mann, ich sage dir, daß das Loch im Schloß größer ist, als dein Schlüssel; er paßt nicht, denn er ist zu klein.“
„So muß ich ihn vergrößern.“
Wieder klang es draußen wie kleine Silberstücke. Ich wußte nicht, sollte ich lachen oder mich ärgern. Dieser Halef Agha war ja ein ganz außerordentlich geriebener Portier geworden!
„Drei Piaster? Gut, so kann man wenigstens fragen, was du bei dem Effendi auszurichten hast.“
„Er soll kommen und seine verzaubernde Medizin mitbringen.“
„Mensch, was fällt dir ein! Für drei Piaster soll ich ihn verleiten, diese Medizin wegzugeben, welche ihm in der ersten Nacht jedes Neumondes von einer weißen Fee gebracht wird?“
„Ist dies wahr?“
„Ich, Hadschi Halef Omar Agha, Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah, sage es. Ich habe sie selbst gesehen, und wenn du es nicht glaubst, so wirst du hier diese Kamtschilama, meine Nilpeitsche, zu kosten bekommen!“
„Ich glaube es, Sihdi!“
„Das ist dein Glück!“
„Und werde dir noch zwei Piaster geben.“
„Gib sie her! Wer ist denn krank im Hause deines Herrn?“
„Das ist ein Geheimnis, welches nur der Effendi erfahren darf.“
„Nur der Effendi? Schurke, bin ich nicht auch ein Effendi, der die Fee gesehen hat! Geh nach Hause; Halef Agha läßt sich nicht beleidigen!“
„Verzeihe, Sihdi; ich werde es dir sagen!“
„Ich mag es nun nicht wissen. Packe dich von dannen!“
„Aber ich bitte dich – – –“
„Packe dich!“
„Soll ich dir noch einen Piaster geben?“
„Ich nehme nicht einen mehr!“
„Sihdi!“
„Sondern zwei!“
„O, Sihdi, deine Stirn leuchtet vor Güte. Hier hast du die zwei Piaster.“
„Schön! Also wer ist krank?“
„Das Weib meines Herrn.“
„Das Weib deines Herrn?“ fragte Halef verwundert. „Welche Frau?“
„Er hat nur diese eine.“
„Und soll Mamur gewesen sein?“
„Er ist so reich, daß er hundert Frauen haben könnte, aber er liebt nur dieses.“
„Was fehlt ihr?“
„Niemand weiß es; aber ihr Leib ist krank, und ihre Seele ist noch kränker.“
„Allah kerihm, Gott ist gnädig, aber ich nicht. Ich stehe da, mit der Nilpeitsche in der Hand, und möchte sie dir auf den Rücken geben. Bei dem Barte des Propheten, dein Mund spricht eine solche Weisheit, als wäre dir bei der Kahnfahrt der Verstand in das Wasser gefallen! Weißt du nicht, daß ein Weib gar keine Seele hat und deshalb auch nicht in den Himmel darf? Wie also kann die Seele eines Weibes krank
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