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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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anreden würde.
    „Tritt näher!“
    „Sallam aaleïkum! Allah sei mit dir, o Herr, und lasse dein Ohr offen sein für die demütige Bitte des geringsten deiner Knechte.“
    „Wer bist du?“
    „Ich bin ein Diener des großen Abrahim-Mamur, der aufwärts droben am Fluß wohnt.“
    „Was sollst du mir sagen?“
    „Es ist großes Herzeleid gekommen über das Haus meines Gebieters, denn Güzela, die Krone seines Herzens, schwindet hin in die Schatten des Todes. Kein Arzt, kein Fakhir und kein Zauberer vermochte den Schritt ihrer Krankheit aufzuhalten. Da hörte mein Herr – den Allah erfreuen möge – von dir und deinem Ruhm und daß der Tod vor deiner Stimme flieht. Er sandte mich zu dir und läßt dir sagen: Komm und nimm den Tau des Verderbens von meiner Blume, so soll mein Dank süß sein und hell wie der Glanz des Goldes.“
    Diese Beschreibung einer bejahrten Frau schien mir ein wenig überschwenglich zu sein.
    „Ich kenne den Ort nicht, an welchem dein Herr wohnt. Ist er weit von hier?“
    „Er wohnt am Strand und sendet dir ein Boot. In einer Stunde wirst du bei ihm sein.“
    „Wer wird mich zurückfahren?“
    „Ich.“
    „Ich komme. Warte draußen!“
    Er nahm seine Schuhe und zog sich zurück. Ich erhob mich, warf ein anderes Gewand über und griff nach meinem Kästchen mit Aconit, Sulphur, Pulsatilla und all den Mitteln, welche in einer Apotheke von hundert Nummern zu haben sind. Bereits nach fünf Minuten saßen wir in einem von vier Ruderern bewegten Kahn, ich in Gedanken versunken, Halef Agha aber stolz wie ein Pascha von drei Roßschweifen. Im Gürtel trug er die silberbeschlagenen Pistolen, die ich in Kairo geschenkt erhalten hatte, und den scharfen, glänzenden Dolch, in der Hand aber die unvermeidliche Nilpeitsche, als das beste Mittel, sich unter der dortigen Bevölkerung Achtung, Ehrerbietung und Berücksichtigung zu verschaffen.
    Zwar war die Hitze nicht angenehm, aber die stromaufwärts gehende Bewegung unseres Fahrzeuges brachte uns mit einem kühlenden Luftzug in Berührung.
    Es ging eine Strecke weit an Durrha-, Tabak-, Sesam- und Sennespflanzungen vorüber, aus deren Hintergrund schlanke Palmen emporragten; dann folgten unbebaute Flächen, über welche sich ein niederes Gestrüpp von Mimosen und Sykomoren hinstreckte; endlich kam nacktes, jeder Vegetation bares Gestein, und mitten aus den wohl bereits vor Jahrtausenden herumgestreuten Felsblöcken erhob sich die quadratische Mauer, durch welche wir uns den Eingang suchen mußten.
    Als wir anlangten, bemerkte ich, daß ein schmaler Kanal aus dem Fluß unter der Mauer fortführte, jedenfalls um die Bewohner mit dem nötigen Wasser zu versehen, ohne daß dieselben sich aus ihrer Wohnung zu bemühen brauchten. Unser Führer schritt uns voran, führte uns um zwei Ecken zu der dem Wasser abgekehrten Seite und gab an dem dort befindlichen Tor ein Zeichen, auf welches uns bald geöffnet wurde.
    Das Gesicht eines Schwarzen grinste uns entgegen, doch beachteten wir seine tief bis zur Erde herabgehende Reverenz gar nicht und schritten vorwärts, an ihm vorüber. Architektonische Schönheit durfte ich bei einem orientalischen Prachtgebäude nicht erwarten, und so fühlte ich mich auch nicht überrascht von der kahlen, nackten, fensterlosen Front, welche das Haus mir zukehrte. Aber das Klima des Landes hatte denn doch einen etwas zu zerstörenden Einfluß auf das alte Gemäuer ausgeübt, als daß ich es zur Wohnung eines zarten, kranken Weibes hätte empfehlen mögen.
    Früher hatten Zierpflanzen den schmalen Raum zwischen der Mauer und dem Gebäude geschmückt und den Bewohnerinnen eine angenehme Erholung geboten; jetzt waren sie längst verwelkt und verdorrt. Wohin das Auge nur blickte, fand es nichts als starre kahle Öde und nur Scharen von Schwalben, welche in den zahlreichen Rissen und Sprüngen des betreffenden Gebäudes nisteten, brachten einigermaßen Leben und Bewegung in die traurige tote Szene.
    Der voranschreitende Bote führte uns durch einen dunklen, niedrigen Torgang in einen kleinen Hof, dessen Mitte ein Bassin einnahm. Also bis hierher führte der Kanal, welchen ich vorhin bemerkt hatte, und der Erbauer des einsamen Hauses war klugerweise vor allen Dingen darauf bedacht gewesen, sich und die Seinigen reichlich mit dem zu versorgen, was in dem heißen Klima jener Länderstriche das Notwendigste und Unentbehrlichste ist. Zugleich bemerkte ich nun auch, daß der ganze Bau darauf gerichtet war, die jährlich wiederkehrenden

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