12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West)
drüben.« Er deutete auf einen Flur am Ende der Küche. »Ich bin froh, dass Sie hier sind, Lori. Für einen allein ist das Aerie zu groß. Bis morgen.«
»Gute Nacht. Und vielen Dank, Toby. Ich kenne James Blackwell nicht, aber besser als Sie kann er auch nicht sein.«
»Oh, danke, Ma’am.« Das seidige blonde Haar fiel Toby ins Gesicht. »Das ist mir jetzt fast peinlich.«
Ich sah ihn misstrauisch an. »Haben Sie jemals zuvor ›Ma’am‹ zu einer Frau gesagt?«
»Noch nie.« Er warf den Kopf zurück und lächelte. »Aber es schien mir angebracht.«
Ich lächelte und gab ihm einen Klaps auf die Schulter, bevor ich mich auf den Weg in meine Suite machte. Es war schon sehr spät, also duschte ich, anstatt ein Bad zu nehmen, zog ein Nachthemd aus Flanell an, entfachte ein Feuer im Kamin und setzte mich in den Sessel, der davor stand, mit Reginald im Arm und dem blauen Tagebuch auf dem Schoß. Kaum hatte ich es aufgeschlagen, kräuselte sich auch schon Tante Dimitys altmodische Handschrift über die Seite.
Ist der Boden aus Lehm? Leckt das Dach? Gibt es eine Außentoilette?
»Nein, nein und definitiv nein«, entgegnete ich. »Es ist wunderbar, Dimity. Das Tal ist wunderbar, das Haus ist wunderbar, und Toby ist auch ganz wunderbar. Alles ist wunderbar.«
Du wirkst aufgekratzt , meine Liebe . Hast Du getrunken?
»Ja, aber nur heiße Schokolade«, sagte ich. »Ich bin nicht betrunken, Dimity, ich bin in Ekstase, ich bin euphorisch und vor allem unendlich erleichtert, dass dieses Haus so wunderbar ist …« Ich riss mich zusammen und fügte hinzu: »Vielleicht ist es die Höhenluft.«
Höhenrausch? Vielleicht . Und wer , wenn ich fragen darf , ist Toby?
»Toby Cooper«, antwortete ich. »Er ist in letzter Minute für den eigentlichen Hausmeister eingesprungen.«
Und er ist also auch wunderbar . Darf ich annehmen , dass er auch sehr gut aussieht?
Ich wand mich in meinem Sessel. Tante Dimity wusste nur allzu genau, dass mein Vorstrafenregister nicht ganz makellos war, was attraktive Männer, die nicht mein Ehemann waren, betraf. Ich hatte mein Ehegelübde niemals gebrochen, aber es hatte Augenblicke gegeben, in denen ich mich nur verschwommen daran hatte erinnern können. Wenn ich Dimity verriet, dass Toby Cooper süß wie ein Cockerspaniel war, ein großer, breitschultriger, männlicher Cockerspaniel, wäre sie auf falsche Gedanken gekommen. Daher spielte ich sein gutes Aussehen etwas herunter.
»Ach, er ist noch ein Kind, Dimity«, sagte ich versonnen. »Ein netter Junge. Er ist einundzwanzig und geht noch aufs College.«
Gut . An ganz jungen Männern hast Du nie besonderes Interesse gezeigt . Was ist mit dem eigentlichen Hausmeister?
»James Blackwell? Er hat vor zwei Tagen gekündigt, ich weiß nicht, warum. Laut Danny Auerbach ist er einfach gegangen.«
Vielleicht hatte er den verrückten Nachbarn satt .
»Es gibt keinen«, sagte ich fröhlich. »Wir haben den ganzen Berg für uns.«
Vielleicht war Mr Blackwell überarbeitet .
»Kaum. Hier war seit Weihnachten kein Mensch.«
Dann war er vielleicht einsam .
»Für einen ist das Haus wirklich schrecklich groß«, stimmte ich zu und dachte an Tobys Worte. »Aber es ist grandios, Dimity. Es gibt jeden Luxus, aber man fühlt sich doch wie in einem Familienheim. Ich weiß nicht, warum die Auerbachs nicht öfter hier wohnen. Sie haben noch so viele Sachen hier, dass sie kaum mehr als eine Reisetasche packen müssten.«
Was haben die Auerbachs zurückgelassen?
»Alles Mögliche«, sagte ich. »Eine Bluse und zwei Paar Hosen in meinem Schrank, ein paar T-Shirts und Turnschuhe im Kinderzimmer.«
Klingt nach einem verlassenen Schiff . Warum hat die Familie nach dem Weihnachtsurlaub ihre Sachen nicht mitgenommen?
»Sie sind reich«, sagte ich. »Wahrscheinlich haben sie verschiedene Garderoben in verschiedenen Häusern.«
Haben sie denn ihre ganze Garderobe zurückgelassen?
»Nein, nur ein paar Einzelteile hier und da.«
Nur ein paar einzelne Stücke . Das hört sich an , als seien sie hastig aufgebrochen . Höchst interessant .
»Wirklich?«, fragte ich unsicher. Es war nach Mitternacht, und es war ein langer Tag gewesen. Ich war zu müde, um Tante Dimitys Überlegungen zu folgen.
Allerdings . Wenn die Auerbachs in Eile gepackt haben , haben wir es mit zwei abrupten Abreisen zu tun – der der Familie und der Blackwells . Wenn das Haus so wunderbar ist , wie Du behauptest , warum hatten sie es dann so eilig?
»Keine Ahnung«, murmelte
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