12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West)
riesige offene Fläche, die durch die Einrichtung in drei voneinander getrennte Bereiche eingeteilt war. Die ultramoderne Küche und der Essbereich nahmen, durch eine Frühstückstheke mit einer Oberfläche aus Granit abgetrennt, die hintere Hälfte des Raumes ein. Der Wohnbereich füllte die vordere Hälfte – und er füllte sie wirklich.
Er war praktisch vollgestopft – mit Ledersofas und Sesseln, Holzbänken, Pinientischen, indianischen Teppichen, geschnitzten Truhen und einem bunt bemalten Klavier, das aussah, als hätte es mal in einem Bordell gestanden. In gläsernen Vitrinen wurden Familienfotos präsentiert, dazu Steine, Federn, Knochen, alte Löffel, Geweihe und merkwürdig geformte Wurzeln. Indianische Körbe, Petroleumlampen, alte Cowboyhüte und Zinnplatten füllten die diversen Regale, die an den Balkenwänden standen. Auf den Sofas und Ottomanen lagen Quilts, mit denen man sich an kühlen Abenden zusätzlich wärmen konnte. Ein Teil des Mobiliars befand sich vor der großen Glasfassade, ein anderer vor dem riesigen Kamin, nichts war streng geordnet, und die Stücke sahen aus, als sei in ihnen gewohnt worden.
Ein wüstes Durcheinander also, in das ich mich auf den ersten Blick verliebte. Das Aerie war kein Traumhaus, das ein angesagter Innenarchitekt eingerichtet hatte. Es war ein echtes Heim, in dem echte Menschen lebten, lebensfrohe Menschen, die von der Welt fasziniert waren und sich mit deren Farben und Formen und ihren schönen Erinnerungen umgaben.
»Es ist wunderbar«, murmelte ich. »Einfach nur wunderbar.«
»Das finde ich auch«, stimmte Toby zu. »Haben Sie Ihren Mann erreicht?«
»Ja«, sagte ich. »Er wollte, dass ich den Laptop benutze, damit ich per Video mit ihm kommunizieren kann, aber ich kenne mich mit solchen Dingen nicht aus. Zum Glück funktioniert mein Handy. Wie man telefoniert, weiß ich.«
»Wie spät war es in England, als Sie mit ihm gesprochen haben?«
»Halb fünf morgens«, sagte ich schuldbewusst. »Bill war ziemlich groggy, deshalb habe ich nur kurz mit ihm telefoniert.«
»Ich wundere mich, dass Sie nicht groggy sind«, sagte Toby.
»Ich muss erst ein bisschen runterkommen.« Ich prostete ihm mit dem Becher zu. »Mit heißer Schokolade klappt das immer. Danke.« Ich trank einen Schluck und fragte: »Leben Ihre Großeltern noch in Bluebird?«
»Nein, aber sie sind beide hier beerdigt. Sie wollten es so, sie liebten Bluebird. Großvater war der Stadtarzt. Er hoffte immer, dass mein Vater seine Praxis übernehmen würde, aber Dad ging im Osten zur Schule und beschloss, dort zu bleiben. Ich bin in Connecticut aufgewachsen, aber die Sommerferien habe ich immer hier verbracht. Ich finde es herrlich hier, ich würde am liebsten hier leben.«
Die Doppeltüren zum Foyer öffneten sich, und als wir uns umsahen, stand Annelise im Raum. Sie trug einen Bademantel, und ihr prächtiges kastanienbraunes Haar fiel ihr den Rücken hinab.
»Lori?«, sagte sie, »kann ich dich kurz sprechen?«
»Ich fülle Ihren Becher auf«, sagte Toby und ging in den Küchenbereich. Ich drehte mich zu Annelise um.
»Was macht die Schulter?«, fragte sie leise.
Ich warf einen Blick zur Küche. Ich wollte nicht, dass Toby uns hörte. Meine Schusswunde war eine Privatsache. Ich wollte nicht, dass in diesen Ferien er oder irgendjemand anders davon erfuhr.
»Meine Schulter ist steif«, sagte ich mit gesenkter Stimme. »Aber das gilt auch für den Rest von mir. Ich fühle mich, als hätten wir die Prärie in einem Planwagen überquert und nicht in einem gut gefederten Van.«
»Ich empfehle ein heißes Bad.« Sie kam näher und beugte sich zu mir. »Wenn du irgendwelche … bösen Träume hast … du weißt, wo du mich findest.«
Ich war leicht irritiert, sprach jedoch leise weiter. »Hat Bill dich gebeten, nicht nur auf die Jungen, sondern auch auf mich aufzupassen, solange wir hier sind? Das hätte er nicht tun brauchen. Es geht mir gut.«
»Im Flugzeug sah es nicht so aus«, erinnerte sie mich.
»Aber im Van ging es mir gut«, konterte ich. »Ich bin eingeschlafen und aufgewacht, wie ein ganz normaler Mensch. Ich beabsichtige, das auch weiterhin so zu tun.«
»Natürlich«, sagte Annelise. »Aber wenn du Probleme hast …«
»Danke«, sagte ich scharf und richtete mich auf. »Gute Nacht, Annelise.«
»Gute Nacht, Lori.« Sie wünschte auch Toby eine gute Nacht und verließ den Raum.
Ich machte mir in Gedanken eine Notiz, Bill darauf hinzuweisen, dass ich durchaus keine Nanny
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