12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West)
Frühstückstheke und sah ihm schweigend zu. Ich nutzte die Gelegenheit, mich von dem Schock zu erholen, ihn zu treffen. Das hätte ich niemals erwartet. Als wir uns auf das Sofa vor dem Kamin setzten, hatte ich mich schon wieder beruhigt und schämte mich dafür, dass ich ihn so vehement ins Haus gezerrt hatte.
»Ich nehme an, Sie fragen sich, warum ich Sie so … unkonventionell begrüßt habe«, begann ich. ’
»Eigentlich nicht.« James trank einen Schluck Kaffee und umschloss den Becher mit seinen großen Händen. »Man kann nun mal nicht so verschwinden wie ich, ohne einen Haufen Fragen zu hinterlassen. Ich nehme an, Sie wollen wissen, warum ich meinen Job gekündigt habe.«
»Ich habe kein Recht, Sie auszufragen«, räumte ich ein. »Aber ich würde wirklich gerne wissen, warum Sie Ihren Job gekündigt haben, so wie wohl jeder im Umkreis von fünfzig Meilen.«
»Ich nehme an, dass sich die Nachricht schnell verbreiten wird, also bringe ich es am besten gleich hinter mich.« Er lächelte kurz, schürzte die Lippen und seufzte. »Sie müssen wissen, ich bin verheiratet. Außerdem müssen Sie wissen, dass ich letzten September meinen Job verloren habe. Im November hatte ich noch immer keine Arbeit. Da erzählte mir meine Frau, dass sie schwanger sei, mit unserem ersten Kind.«
»Das tut mir leid«, sagte ich und fügte rasch hinzu: »Natürlich nicht die Sache mit dem Baby, sondern die Sache mit dem Job.«
»Danke«, sagte James nach einem weiteren Schluck Kaffee. »Die Stelle als Hausmeister im Aerie war wie maßgeschneidert für mich. Ich bin Bauarbeiter, kann also praktisch alles reparieren, und ich fühle mich in den Bergen wie zu Hause. Es gab nur einen Haken: Mr Auerbach wollte keinen verheirateten Mann einstellen.«
Ich dachte an das Einzelbett im Apartment und nickte.
»Ich hatte von einem Freund gehört, dass Mr Auerbach ein Spitzengehalt zahlte, und ich brauchte das Geld, besonders, da jetzt das Baby unterwegs war. Also habe ich gelogen. Ich habe gesagt, ich sei Junggeselle. Und ich habe den Job bekommen.«
»Hat es Ihrer Frau nichts ausgemacht, dass Sie auswärts arbeiteten?«, fragte ich.
»Zunächst schon, aber als ich Janice – so heißt meine Frau – erzählte, wie viel ich verdienen würde, war sie einverstanden«, sagte James. »Außerdem wohnen wir in Denver, so weit weg ist es also gar nicht. Ich besuchte sie, so oft ich konnte und so oft mir eine Entschuldigung einfiel, in die Stadt zu fahren. Es war nicht ideal, aber wir glaubten beide, dass es sich auf lange Sicht rentieren würde.«
»Hat Mr Auerbach herausgefunden, wer Janice ist?«, fragte ich. »Sind Sie deshalb gegangen?«
»Nein, deshalb nicht.« James stellte den blauen Becher auf dem Couchtisch ab und sah mich an. »Letzte Woche erhielt ich einen Anruf von Janice – drei Tage vor Ihrer vorgesehenen Ankunft. Sie hatte Wehen, obwohl das Baby erst für August erwartet wird. Sie sind Mutter, Sie können sich vorstellen, wie es meiner Frau ging.«
»Sie hatte sicher große Angst«, sagte ich.
»Allerdings«, bestätigte James. »Was mich betrifft, ich geriet in Panik, packte hastig meine Sachen, hinterließ eine kurze Nachricht auf Mr Auerbachs Anrufbeantworter und machte mich davon, um Janice im Krankenhaus in Denver zu besuchen.«
»Geht es ihr gut?«, fragte ich.
»Es ist den Ärzten gelungen, die Kontraktionen zu stoppen«, sagte er. »Aber sie muss das Bett hüten, bis das Baby kommt. Also kann ich hier nicht mehr arbeiten. Ich kann überhaupt nicht mehr arbeiten. Ich muss zuhause bei meiner Frau bleiben.«
»Wie bezahlen Sie Ihre Rechnungen?«, fragte ich besorgt und hielt sofort die Hand hoch. »Verzeihen Sie, James, das geht mich natürlich nichts an.«
»Nichts für ungut«, entgegnete James gelassen. »Janice und ich kommen schon über die Runden. Wie ich schon sagte, Mr Auerbach hat ein Spitzengehalt gezahlt. Was ich hier in sieben Monaten verdient habe, reicht, bis das Baby da ist. Und dann suche ich mir eine Arbeit, die nicht so weit weg von zuhause ist.«
»Das freut mich«, sagte ich. »Und dass es Janice und dem Baby gut geht, natürlich auch.«
»Danke«, sagte James und griff nach seinem Becher.
»Sie werden mich wahrscheinlich auslachen«, sagte ich. »Aber ich war überzeugt davon, dass Sie das Aerie verlassen haben, weil Sie glaubten, es sei verflucht.«
Aber James lachte nicht. Er kniff die Lippen zusammen und schaute mich fast zornig an.
»Mich könnte ein Fluch nicht aus dem Aerie
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