076 - Die Nacht der Zombies
„Papa Legba, öffne die Schranke für mich, öffne die Schranke, auf daß ich eintreten kann! Voodoo Legba, öffne die Schranke für mich! Wenn ich zurückkehre, werde ich den Göttern danken."
Papaloa Boumba, der oberste Priester des Voodoo-Kults, leitete selbst die Zeremonie und sprach die traditionellen Worte. Der zwei Meter große Mann mit dem weißen Umhang stand vor dem hochlodernden Feuer. Seine Augen leuchteten fanatisch; er hatte die Arme ausgebreitet.
Zwei Hungans, einfache Priester des Kults, schwenkten die Kürbisrasseln. Am Rande des Lichtkreises schlugen Mambos - Priesterinnen - auf Trommeln. Genau wie die Hungans trugen sie enganliegende, schwarze Kleidung. Schweiß strömte über ihre entrückten Gesichter und über die fast nackten Körper der Tanzenden.
Es war eine besondere Feier, die auf der alten Pflanzung nördlich von Port-au-Prince stattfand. Nur Auserwählte hatten Zutritt. Unbefugte wurden von mit Schnellfeuergewehren bewaffneten Wachtposten außerhalb der immer noch wuchtigen Mauern gehalten. Doch diese Wachtposten wären eigentlich gar nicht nötig gewesen. Papaloa Boumbas Ruf und Einfluß genügten, um die Menschen abzuschrecken. Selbst die berüchtigte Geheimpolizei zitterte vor Papaloa Boumba, der mit seinem Geburtsnamen Guulf de Sylvain hieß.
Der schlanke, sehnige Mischling mit dem weißen Gewand nahm nun den Krug mit dem weißen Zuckerrohrschnaps von dem wackeligen Tisch am Feuer. Er war ein Könner seines Metiers; er verstand es, seine Anhänger anzustacheln und in Ekstase zu versetzen.
Nun war es Zeit für den nächsten Schritt.
Papaloa Boumba füllte seinen Mund mit dem scharfen, mit Pfeffer versetzten Schnaps und spie ihn über die Tanzenden. Er schritt durch den Reigen der halbnackten Männer und Frauen mit den verzückten Gesichtern, sprach seine Beschwörungen und die Anrufungen der Voodoo-Götter und füllte dabei immer wieder den Mund, mit Schnaps, den er ausspie.
Junge und alte Männer und Frauen tanzten, allesamt Neger oder Mischlinge. Viele waren mit weißen Symbolen bemalt. Ein bildhübsches schwarzes Mädchen, nur mit einem kurzen bedruckten Rock bekleidet, wand sich stehend vor Boumba. Er bemerkte ihre Schönheit in diesem Augenblick ebensowenig, wie den unförmigen Bauch eines Mannes oder die Hängebrüste einer häßlichen alten Vettel.
„Azaka-Tonnerre!" schrie die Vettel mit schriller Stimme. „Ich spüre dich, großer Gott des Donners und des Blitzes, Schutzherr der Felder und der keimenden Saat. Du hast deine unwürdige Dienerin Ambaka erwählt."
Mit verdrehten Augen fiel die Alte zu Boden und blieb zuckend liegen. Niemand kümmerte sich um sie.
Papaloa Boumba bespie die Mambos, die fast auf ihren langen, schmalen Trommeln ritten, weiter mit Schnaps. Gesänge hallten zum Sternenhimmel empor, an dem das Kreuz des Südens prangte. Nackte Füße stampften auf den festgetretenen Boden. Es roch scharf nach dem verdunstenden Alkohol, und eine leichte Brise wehte von den versumpften Zuckerrohrfeldern herüber.
„Schlachtet die Opfertiere!" rief Papaloa Boumba.
Ein paar seiner Anhänger, die am Rande des Feuerscheins warteten, führten den schwarzen Stier herbei und brachten die Körbe mit den weißen Hühnern und Tauben. Der Stier wurde an dem Strick, der durch seinen Nasenring gezogen war, zum Feuer geführt. Er war unruhig. Zwei Männer mußten all ihre Kraft aufbieten, um ihn festzuhalten.
Papaloa Boumba warf den leeren Schnapskrug in die hochlodernden Flammen. Seine Augen schienen zu glühen, sein Mund war in einem grausamen fanatischen Lächeln erstarrt.
Er war der König des Voodoo, der Oberste aller Magier und größte Hexer der Welt. Nichts waren sie alle gegen ihn, die Herrscher und Mächtigen der Staaten dieser Erde und der Schwarzen Familie der Dämonen. Und weniger als Nichts waren jene anderen armen Narren, die sich anmaßten, wie er Papaloi des Voodoo zu sein.
Es gab viele Zweige des Kultes, doch die Zeit war gekommen, daß sie alle vereint wurden, durch ihn, Papaloa Boumba. Das würde eine seiner ersten großen Taten sein.
Ein Hungan hielt dem Stier ein paar Krautblätter hin. Wenn das Tier sie fraß, war es mit seiner Opferung einverstanden - so sagte es die Regel. Wenn es sie verschmähte, mußte ein anderes Opfer gesucht werden.
Aber der Stier, der seit langem gehungert hatte, fraß trotz seiner Angst das Kraut. Die Tanzenden und die niederen Priester, die Hungans und Mambos, schrien erfreut auf.
Über zweihundert Menschen waren
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