12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West)
stimmt, etwas, was die Leute abschreckt.«
Jetzt bleib mal auf dem Teppich , Lori . Bills Klienten sind durch die Bank reiche Leute , und die Reichen wohnen nicht in schäbigen Holzverschlägen . Ich bin sicher , dass es in der Blockhütte ganz entzückend ist .
»Dann gibt es bestimmt einen verrückten Nachbarn.« So leicht war ich nicht abzubringen. »Ein alter Gnom mit einer Schrotflinte und einem Hass auf Stadtmenschen.«
Hast Du mit Bill über Deine Befürchtungen gesprochen?
»Nein, und das werde ich auch nicht«, sagte ich rasch. »Das hier bleibt unter uns, Dimity. Und selbst wenn der Boden der Blockhütte aus gestampftem Lehm besteht und ein alter Zausel mit dem Finger am Abzug ein Haus weiter wohnt, ich werde Bill kein Sterbenswörtchen verraten. Er braucht unbedingt Ferien von seiner durchgeknallten Ehefrau, und ich werde dafür sorgen, dass er sie bekommt.«
Ich bin sicher , dass Bill es anders sieht , Lori .
»Aber ich sehe es so. Seit unserer Rückkehr aus Schottland ist Bill mir nicht mehr von der Seite gewichen. Jetzt werde ich ein Opfer bringen, und wenn das darin besteht, ein paar Wochen am Rande von Nirgendwo zu campieren, dann sei es so.«
Verzeih mir , Lori , aber ich hatte den Eindruck , als ginge es Dir besser . Habe ich Dich etwa missverstanden?
»Es geht mir auch besser«, bekräftigte ich. »Will und Rob sind vor Aufregung ganz aus dem Häuschen, Annelise kann es kaum erwarten, und Bill geht wie auf Wolken, seit ich seinem Plan zugestimmt habe.« Ich rümpfte die Nase. »Ich mache mir halt nur ein paar Sorgen, das ist alles.«
Es sähe Dir auch durchaus nicht ähnlich , wenn Du Dir keine Sorgen machen würdest , liebe Lori . Dennoch freue ich mich darüber , dass Bill sich so etwas Wunderbares ausgedacht hat . Die frische Bergluft wird Dir ungeheuer guttun . Aber wie ich schon sagte , ich war noch nie in den Rocky Mountains …
»Das wird sich ändern, denn du kommst mit«, sagte ich. »Reginald übrigens auch. Es gibt Opfer, die ich einfach nicht bringen kann. Mich ohne dich und Reg der riesigen, rauen Wildnis zu stellen, das ist eines davon.«
Was für eine schöne Überraschung . Wir werden uns gemeinsam der Wildnis stellen , meine Liebe , aber meinst Du nicht auch , dass es heute schon recht spät geworden ist? Du brauchst Schlaf , denn morgen hast Du sicher eine Menge zu erledigen .
Als ich daran dachte, wie anstrengend es sein würde, alles einzupacken, was die Zwillinge und ich für einen Abenteuerurlaub mit offenem Ende brauchen würden, konnte ich kaum widersprechen.
»Du hast recht«, sagte ich. »Es ist Schlummerzeit. Danke fürs Zuhören, Dimity.«
Ich danke Dir , Lori , weil Du mir erlaubt hast zuzuhören . Schlaf gut .
»Ich werd’s versuchen«, sagte ich ohne allzu große Hoffnung.
Als die geschwungenen Linien der königsblauen Tinte auf dem Papier verblassten, klappte ich das Buch zu und sah zu Reginald hinauf.
»Tja, alter Cowboy«, sagte ich so gedehnt lässig, wie ich eben konnte, »ich hoffe nur, dass Buffalo Bill nicht zu viel von uns erwartet. Denn wenn ich für unser Essen auf die Jagd gehen müsste, würden wir wohl mächtig hungrig bleiben.«
Am nächsten Morgen schreckte ich bereits vor dem Sonnenaufgang aus dem Schlaf hoch, aber ich verschwendete nicht allzu viel Zeit damit, zitternd im Bett zu hocken, ich stand auf, zog mich an und ging nach unten, wo ich unsere Koffer hervorholte. Ich hatte gerade mal einen Reisebeutel aus der Abstellkammer geholt, als Bill auftauchte, mir den Beutel aus den Händen nahm und mich zum Frühstück in die Küche bugsierte.
Bald stellte sich heraus, dass Dimity und ich nicht die geringste Ahnung gehabt hatten, wie wenig Mühe mich diese Reise kosten sollte. Bill hatte versprochen, dass ich keinen Finger krumm machen musste, und dafür sorgte er auch. Ich durfte ihm und Annelise beim Packen zusehen, und sobald ich auch nur versuchte, heimlich ein Paar Socken in einen Koffer zu legen, verwiesen sie mich des Zimmers.
Da die Zwillinge und ich offensichtlich nicht gebraucht wurden, lud ich sie für eine Abschiedsfahrt durch Finch in den Landrover. Unsere abrupte, unangemeldete Flucht nach Schottland hatte die Gerüchteküche meiner Nachbarn ordentlich zum Dampfen gebracht, und ich wollte verhindern, dass unsere Reise nach Colorado eine weitere Welle wüster Spekulationen auslöste. Jeder sollte erfahren, dass meine Söhne und ich eine ganz normale Ferienreise machten und nicht vor einem gemeingefährlichen Irren
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