1203 - Die Höllenfratze
es eben Phänomene, die man nicht so leicht erklären kann. Ich versuche jetzt auch, darüber nachzudenken, und ich gelange zu dem Schluss, dass es nur mit Roberta zusammenhängen kann. Sie ist einfach der Ausgangspunkt dieses Schreckens gewesen.«
»Sie kennen Roberta gut?«
»Ja. Wir sind seit einiger Zeit zusammen. Ich möchte, dass wir auch eine Wohnung nehmen. Aber sie hat noch nicht zugestimmt. Sie möchte ihre Freiheit nicht aufgeben.«
»Was macht sie denn beruflich?«, erkundigte ich mich.
»Das ist nicht so leicht zu sagen. Sie ist für einige Tage im Monat Nachtschwester. Aber dann hat sie noch einen Beruf. Sie arbeitet als Modell.«
»Oh…«, sagte ich nur, weil sich meine Gedanken in eine bestimmte Richtung bewegten.
»Nein, Mr. Sinclair, es ist nicht das, was Sie denken. Kein Modell, das in der Zeitung annonciert, um irgendwelche Freier zu empfangen. Sie verdient sich noch etwas nebenbei als Aktmodell. Menschen, die das Malen lernen wollen, müssen dann… na ja, Sie verstehen schon.«
»Genau.«
»Das ist auch nichts ehrenrühriges. Roberta ist genau der Typ Frau, den die Schüler haben wollen. Sie ist gut beieinander. Sie hat die richtigen Formen und ein nahezu klassisches südeuropäisches Gesicht. Das wird ihr immer bestätigt.«
»Und wo sitzt sie Modell?«
»In Soho. In der Privat Art School. Dort können Sie nicht nur Malkurse buchen, sondern auch andere. Sie fü hlt sich dort sehr wohl und erklärt immer, dass es sie auch entspannt und sie mal in aller Ruhe ihren Gedanken nachgehen kann. Aber dass so etwas passieren könnte, hätte ich nicht gedacht. Das will mir auch jetzt nicht in den Kopf, Mr. Sinclair.«
»Ja, ich verstehe Sie. Noch eine Frage. Es ist ganz plötzlich gekommen, oder haben Sie zuvor schon mit Roberta über gewisse Dinge gesprochen?«
»Nein, nie.«
»Sie hat also nichts gesagt?«
»Überhaupt nicht.«
»War sie denn in der letzten Zeit verändert? Hatte sie irgendwelche Probleme?«
»Nein, die hatte sie nicht. Zumindest keine großen. Allerdings kam sie mir schon recht nervös vor, das muss ich zugeben. Alles in den letzten Tagen.«
»Wie machte sich das bemerkbar?«
»Roberta war sehr unruhig.«
»Über den Grund ihrer Unruhe hat sie nie etwas gesagt?«
»Nein.«
Ich hatte so meine Erfahrungen und wusste, dass mir dieser Mann nicht mehr weiterhelfen konnte. Deshalb fragte ich zum Abschluss: »Bleibt es noch immer bei Ihrem Entschluss, Roberta nicht mehr sehen zu wollen, Mr. Harris?«
Er wusste nicht so recht, was er sagen sollte und meinte schließlich: »Ich werde Sie am Nachmittag oder am Abend anrufen, bevor sie wieder in die Schule geht.«
»Ah - sie sitzt heute Abend Modell?«
»Allerdings. Und das wird sie sich auch nicht nehmen lassen.«
»Waren Sie schon mal dabei?«
»Nein.« Er winkte ab. »Das will ich auch gar nicht. Aber ich habe schon Bilder von ihr gesehen und muss sagen, dass sie wirklich top geworden sind. Auch für mich wäre sie das richtige Modell, Mr. Sinclair. Sie ist auf ihre Art und Weise großartig.«
»Okay, ich weiß ja Ihren Namen. Wenn ich noch Fragen habe, werde ich mich bei Ihnen melden.«
»Ja? Wollen Sie die Sache denn weiterhin verfolgen?«
»Ich denke schon. Zumindest müsste mir Roberta noch eine Erklärung geben.«
»Ich hoffe, dass sie das tut. Und wenn ich etwas höre, rufe ich Sie an.« Er kramte in seiner Tasche. »Ach ja, hier ist meine Visitenkarte.«
»Danke.« Er bekam auch meine, auf der allerdings nur die Nummer von Scotland Yard stand. So wichtig war der Mann nicht, dass ich ihm meine Privatnummer gab.
Chuck Harris ging nach links weg, ich nahm den Weg rechts.
Und ich war sehr nachdenklich geworden…
***
Roberta Carlini wollte auch gehen, doch dagegen hatte Jane Collins etwas. Als die braunhaarige Frau nervös in ihrer Geldbörse herumkramte, stand Jane Collins auf und setzte sich zu ihr an den freien Platz am Tisch.
»Sie gestatten doch…«
Roberta schaute hoch. »Bitte, was wollen Sie von mir?«
»Mit Ihnen reden.«
Das Gesicht der Frau verschloss sich. »Das ist schön und gut, aber ich will es nicht.«
»Mein Name ist übrigens Jane Collins. Und Sie heißen Roberta, nicht wahr?«
Jane wollte das Gespräch nicht abbrechen, und das gelang ihr auch, denn die Frau nickte und fügte noch ihren Nachnamen hinzu.
»Italienerin?«
»Nein, ich bin hier in London geboren.«
»Schön.«
Roberta schaute Jane scharf an. »Sagen Sie mal, warum interessieren Sie sich eigentlich so stark für
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