Masken der Lust (German Edition)
Erstes Kapitel
Über den Himmel wirbelnd und purzelnd, nahmen die gemalten Engel an der Kuppeldecke keine Notiz von dem irdischen Trubel unter ihnen … und Sarah bemerkte nicht auf Anhieb, dass ein Engel herabgekommen war. Ein wunderschöner Mann sauste flügelschlagend über ihren Kopf hinweg.
Karneval in Venedig – nichts kam ihm gleich. Auf dem Fest herrschte dichtes Gedränge, und die Musik pulste und vibrierte. Keiner schien sich daran zu stören, dass der Mann fast nackt war. Seine Haut glänzte silbern, als er die Menge einige Male überflog. Dann wurde er wieder unter die Kuppel gezogen, wo ihn eine Akrobatin, in einer Hand eine Schaukel, auf einer winzigen Plattform erwartete. Sie ließ die Stange der Schaukel los, er fing sie auf und löste sich fast im selben Augenblick von seinem Haltedraht. Mühelos stieß er zu ihr auf die Plattform, indem er einen blitzschnellen Salto durch die Luft schlug.
Auch die Frau trug Flügel, und ihr gelenkiger, straffer Körper wirkte ungeheuer kräftig. Der Mann verschränkte seine Finger mit ihren, und so wahrten sie in vollendeter Haltung ihr Gleichgewicht hoch über den Hunderten von Tänzern am Boden. Sarah war allseits von Kostümierten umgeben, die zuweilen kaum mehr trugen als ein aufwendiges Make-up und aberwitzige Accessoires.
Da gab es prächtige Federn, die in wallendes Haar geflochten waren, durchsichtige Schleier und natürlich viele Masken. Ihre eigene hatte sie im Gedränge verloren, hatte jemanden darauftreten hören und sich nicht weiter darum geschert.
Sarah trat in eine Nische, um sich hinzusetzen und Atem zu holen, entschied sich dann aber anders. Zwei langhaarige junge Männer, die wie Prinzen der Renaissance gekleidet waren, küssten sich sinnlich und fuhren sich gegenseitig mit den Händen über ihre geschmeidigen Körper.
Seufzend verschmolz sie wieder mit der Menge und ließ sich von der Musik mitreißen. Irgendein Bursche, den sie nicht sehen konnte, legte ihr seine Hände von hinten um die Taille, zog sie in eine tänzerische Umarmung und bewegte seinen sehnigen Körper mit ihrem im Einklang zur Musik. Seine starken Arme fühlten sich gut an auf ihrer bloßen Haut zwischen der tiefgeschnittenen schwarzen Samtjeans und dem paillettenbestickten Oberteil mit Spaghettiträgern: zurückhaltende Kleidung nach den Maßstäben dieser Party.
Als ihr Partner sie herumschwenkte, erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf sein gutgeschnittenes Gesicht und seine Augen, die schmissig mit dicken schwarzen Lidstrichen umrandet waren. Seine dunklen Locken waren zerzaust und schweißfeucht. In seiner lederfarbenen Kniebundhose sah er wie ein Satyr aus.
Er schwenkte sie weiter herum, bis sie Rücken an Rücken standen. Dann langte er hinter sich, um sie bei den Hüften zu halten, während sie ihn ebenso umfasste, sich dabei auf dem Fleck wiegte, übermütig lachte und das gegenseitige Hinternreiben genoss. Die sechs Gläschen Grappa zeigten Wirkung auf ihr Gemüt, und so war ihr die Berührung äußerst angenehm. Der Mann war kräftig gebaut, die Sorte Kerl, bei dem sie sich anlehnen, den sie umschmiegen und mit dem sie eine Menge Spaß haben konnte. Sobald der Mann in die Knie ging, rutschte sein muskulöser Hintern in der engen Hose über ihren weichen Arsch. Er fühlte sich warm und stramm an.
In der Menge tat sich ein Kreis von Leuten auf, die ihnen zusahen. Wieder wirbelte er Sarah herum, diesmal nur für eine halbe Drehung, und sie vollführten denselben sinnlichen Tanz eine Minute oder länger von Angesicht zu Angesicht. Dann warf er sie gekonnt rücklings über sein angewinkeltes Knie, sodass ihr Haar beinahe den Fußboden streifte. Als er ihren entzückten Ausruf hörte, zog er sie wieder hoch und fasste sie bei der Hand, um sie der applaudierenden Menge zu präsentieren. Sie formte die Lippen zu einem lautlosen Dank über die stampfende Musik hinweg, während er sich einer anderen Partnerin zuwandte, einer als Kätzchen verkleideten Brünetten, und sie am Schwanz zog, bis sie ihm einladend über die Schulter zumaunzte.
Sarah schwirrte der Kopf. Die ach so vornehmen Venezianer hatten einen wilden Zug an sich. Diese Party war nicht für Touristen gedacht, auch wenn sie nur eine Touristin war. Eine New Yorker Freundin, die Nichte einer Komtesse aus Padua, hatte ihre Einladung an sie weitergegeben. Sie lehnte sich an eine gewaltige Marmorsäule, die sich angenehm kühl an ihrer erhitzten Haut anfühlte, und sah auf.
Das geflügelte Paar hoch oben
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