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1224 - Rückkehr in den Frostrubin

Titel: 1224 - Rückkehr in den Frostrubin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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verzerrt, flimmerten am Firmament. Ihr unstetes Licht brach sich an den Zinnen der Stahlfestung, und jedes mal, wenn eine Kohlenwasserstoffwolke vom Horizont herandriftete, wechselte die fahle Helligkeit und schuf Schatten, die den Festungswällen einen Anschein von Leben verliehen.
    „Großartig!" bemerkte Tardus Zanc. „Was für Bilder!"
    Unaufgefordert setzte Wonnejunge seinen Kommentar fort: „Selbst jetzt, vierhundertfünfzig Jahre nach Leticrons körperlichem Tod, verströmt die Titanfestung eine stumme Drohung. Es ist, als ob im nächsten Moment die klobigen Gestalten der Überschweren auf ihren eisernen Pferden durch das große Tor galoppieren werden, um jeden zu vertreiben, der es wagt, in ihr Gespensterreich einzudringen..."
    „Kosmisch", sagte Zanc.
    Hinter dem kantigen Koloß der Festung ging der Saturn auf.
    Zuerst war es nur ein dünner Streifen, der aus dem Nichts über den Zinnen entstand: Der Ring des fünften solaren Planeten, vereiste Steinbrocken, teils klein wie Kiesel, teils groß wie Findlinge, vorübergehend von rötlichen Wolkenfetzen verborgen, um dann neu und strahlend höher zu klettern. Und dem System aus Hunderten einzelnen Ringen, die an die Rillen einer kosmischen LP erinnerten, an den beiden hellsten Stellen vom schwarzen Nichts der Cassini-Teilung getrennt, diesem phantastischen Gebilde folgte mit majestätischer Trägheit die aufgedunsene Wasserstoff-Helium-Kugel des Saturn.
    Gewaltige Stürme, bis zu 1600 Kilometer pro Stunde schnell, wühlten die eisige Atmosphäre auf. Westwärts rasten die Orkane, immer westwärts, wie seit Jahrmillionen.
    Gelb und Braun, von blaßblauen und hellroten Flecken bedeckt - Flecke groß wie ein irdischer Kontinent - bot sich der Herr der Ringe dem Auge dar. Saturn war ein Gigant mit einem Durchmesser von rund 120.000 Kilometern. Anderthalb Milliarden Kilometer von der Erde entfernt, rotierte er rasend schnell - in etwas mehr als zehn Stunden - um seine Achse, als hätten ihn die Stürme in Drehung versetzt, ohne ihn jemals aus ihrem Griff zu entlassen. Saturn war ein Planet der Extreme; die äußere Atmosphäreschicht war ein kosmisches Kühlhaus mit Temperaturen von minus 170° Celsius, wahrend der planetare Kern bis zu 15.000° Celsius heiß war und unter einem Druck von 50 Millionen Bar stöhnte.
    Und Leticrons Stahlfestung, soeben noch übermächtig in ihrem Riesenwuchs, schrumpfte nun zu einem Spielzeug. Doch mit jedem Meter, dem sich Meysenhart und Wonne" junge der Festung näherten, relativierte sich dieser Eindruck. Saturn wurde kleiner und die Wälle wuchsen und wuchsen, und dann landete Meysenhart am Fuß der hohen Mauer, und ihr Schatten umarmte ihn, ihr Schatten verbarg den Ringplaneten, sperrte den Himmel und die Sterne aus.
    Wonnejunge sank einige Meter weiter zu Boden, verknotete unruhig die Stielaugen, blickte an dem Stahlwall hinauf, zu den Zinnen, von Finsternis verhüllt, und dann duckte er sich, als fürchtete er, von dem metallenen Ungeheuer entdeckt und verschlungen zu werden.
    „Und jetzt?" fragte Wonnejunge schrill. „Was machen wir jetzt?"
    „Tardus?" sagte Meysenhart in das Helmmikrofon.
    „Ein wenig Geduld", antwortete der unithische Trivideo-Techniker. „Ich habe mit dem Direktor des Stahlfestungsmuseum gesprochen. Man wird in ein paar Sekunden eine Strukturlücke im Prallschirm erzeugen."
    Der Terraner und der Matten-Willy; warteten schweigend. Währenddessen stieg der Saturn höher und höher, als wollte er den ganzen Himmel ausfüllen. Von Osten trieben neue Kohlenwasserstoffwolken heran; blutige Nebelbänke, die aus dieser Perspektive dicht über der lebensfeindlichen Sumpflandschaft zu hängen schienen. Es wurde wärmer.
    Auf den Teerteichen verdampfte die dünne Methaneisschicht.
    Das Kraftfeld flackerte.
    Direkt vor Meysenhart entstand ein Riß, wurde breiter und wölbte sich zu einer energetischen Schleusenkammer, die verhindern sollte, daß sich Titans Stickstoff-Methan-Atmosphäre mit der erdähnlichen Luft jenseits, des Prallschirms vermischte.
    Als sie die Schleusenkammer hinter sich gelassen hatten, öffnete sich ein Schott in der Festungsmauer. Gedämpftes Licht fiel heraus. Die Umrisse einer menschlichen Gestalt zeichneten sich gegen das helle Oval des Eingangs ab.
    „Willkommen im Grabmal des Überschweren", sagte die Gestalt. „Willkommen im stählernen Mausoleum."
    Meysenhart unterdrückte ein Kichern und fokussierte die Stirnkamera auf die Gestalt.
    Sie war groß und dünn, gespenstisch blaß,

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