1236 - Im Reich der Jaschemen
Flammen gewesen waren, die er gesehen hatte. Es waren Nebeneffekte der Schmerzwelle gewesen, die brennend durch seinen Körper gejagt war. Aber es hätte sein Tod sein können, als wären es echte Flammen gewesen.
Als er wieder zu sich fand, lag er auf dem Boden und als er aufsah, erblickte er Tengri Lethos-Terakdschan und Caglamas Vlot, die sich auf wenige Meter Distanz gegenüberstanden und den Eindruck erweckten, sie würden im nächsten Moment übereinander herfallen. Der Hathor wirkte dabei so zuversichtlich, wie sein Gegenüber verunsichert wirkte.
Aber wenigstens schien sich der Jascheme nicht mehr im Zustand besinnungsloser Raserei zu befinden.
„Hört auf!" rief der Arkonide und versuchte vergeblich, auf die Füße zu kommen. „Wir müssen zusammenarbeiten, anstatt uns zu bekämpfen!"
Lethos Haltung entspannte sich ein wenig.
„Ich bin dazu bereit", erklärte er.
„Zusammenarbeiten?" wiederholte Caglamas Vlot irritiert. „Ich wollte euch vernichten.
Aber als ich hier ankam, war mein Haß verflogen. Wer hat mich psychisch konditioniert?"
„Seht!" ertönte eine zitternde Stimme. „Seht doch her!"
Atlan erkannte Jen Saliks Stimme, obwohl sie stark entstellt war. Er wandte den Kopf und sah die Spielzeugmacherin in voller Größe neben dem Terraner stehen. Ihre blaßblaue Haut war nicht mehr runzelig, sondern glatt, ihre drei Augen leuchteten in bisher nie gekanntem Feuer und die Lippen ihres Mundes waren straff und glänzend.
„Seht doch!" rief Salik bebend. „Clio lebt!"
„Ich befand mich in einer Scheintodphase", sagte Clio mit einer Stimme, die noch tiefer als sonst unter die Haut ging. „Es war nur eine meiner Verjüngungsphasen. Verzeiht mir, wenn ich bei meinem Erwachen einen psionischen Schock erzeugt habe, der euch verwirrt haben sollte!"
Von Caglamas Vlot kam ein röchelnder Laut.
„Oh, da ist ja auch ein Jascheme!" rief Clio erfreut. „Wie heißt du denn, mein Freund?"
„Eine Chyline!" flüsterte Caglamas Vlot, während er langsam in die Knie ging.
„Ich bin Clio vom Purpurnen Wasser", sagte die Spielzeugmacherin, produzierte einen Arm mit Hand und streckte ihn dem Jaschemen entgegen.
„Und ich bin Caglamas Vlot, dein untertänigster Diener!" rief der Jascheme überschwänglich und rutschte auf den Knien näher an Clio heran, bis er ihre Hand ergreifen und sich auf den gesenkten Nacken legen konnte.
„Was sagt man dazu?" fragte Domo Sokrat verblüfft.
„Es ist alles gut, wenn wir damit eine Verständigungsbasis gefunden haben", erklärte Atlan.
Der Jascheme wandte ihm das Gesicht zu. In seinen Augen loderten die Kristalle.
„Clio ist eine Chyline, die in der Urzeit der Tiefe von uns Technotoren mit Blaupausen programmiert wurden und an der Herstellung der Vitalenergiespeicher beteiligt waren", sagte er. „Ich begreife gar nicht, warum ich sie nicht früher als das erkannte, was sie ist.
Schließlich habe ich sie über meine Geräte mehrmals gesehen."
„Du warst verbohrt in deiner Arroganz allem Fremden gegenüber", erläuterte die Spielzeugmacherin. „Erst der psionische Schock meiner Verjüngungsphase hat dich wieder sehend gemacht."
Atlan seufzte, denn er begriff, was die letzte Wiederverstofflichung so schmerzhaft und beinahe zu einer Katastrophe gemacht hatte.
„Ich hoffe, jetzt herrscht Frieden zwischen uns, Technotor", sagte er ironisch.
„Da eine Chyline bei euch ist, sei dir vergeben", erwiderte der Jascheme. „Obwohl der Verlust der beiden Kyberneten schmerzlich für mich war."
„Es war für mich auch schmerzlich, als du mich eine Maschine nanntest", gab der Arkonide zurück. „Also sind unsere Konten ausgeglichen, so daß wir darüber verhandeln können, wie wir uns gegenseitig am besten unterstützen, selbst auf die Gefahr hin, daß die Nennung der Raum-Zeit-Ingenieure dein Gemüt erneut erhitzt, Technotor."
„Was?" fuhr Caglamas Vlot hoch, und es sah aus, als würde er abermals in Raserei verfallen.
„Knie nieder und sei friedlich, mein Freund!" hauchte Clio.
Das wilde Feuer in Vlots Augen erlosch. Friedlich wie ein Lamm sank er wieder vor der Spielzeugmacherin auf die Knie.
Atlan schluckte.
Er begriff, daß die Gefahr für den Augenblick beseitigt war, daß damit aber noch keine Zusammenarbeit mit dem Jaschemen herrschte. Es würde noch lange dauern, bis es soweit war und unterdessen verstrich immer mehr von der Gnadenfrist, die dem Tiefenland gesetzt war...
ENDE
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