1253 - Angst vor dem eigenen Ich
wahr, als ich die Treppe hinabschritt. In diesem Bereich war es nicht so still wie oben. Ich begegnete einigen Templern, die freundlich grüßten, aber keine Fragen stellten.
Wenn sie welche hatten, dann wandten sie sich an Godwin de Salier, ihren Anführer.
Der Essraum befand sich neben der Küche. Er war groß genug, um den langen Holztisch aufzunehmen, an dem sich die Templer zu den gemeinsamen Mahlzeiten versammelten.
Als ich eintrat, hob Suko die Hand und winkte mir zu. Er saß allein am großen Tisch, was mich wunderte.
»Wo ist denn Julie?«, fragte ich.
»Guten Morgen erstmal.«
»Sorry, aber ich war mit den Gedanken woanders.« Ich nahm meinen Platz gegenüber von Suko ein und griff zur Warmhaltekanne, um mir den ersten Kaffee einzuschenken.
»Sie wird wohl noch kommen. Im Moment hat sie noch keinen Hunger.«
»Kann ich irgendwie verstehen.« Ich stellte die Kanne wieder weg. »Was ist mit Godwin?«
»Er hat das Frühstück schon hinter sich. Einer wie er ist immer früh auf den Beinen.«
»Klar.« Ich legte eine Pause ein, trank den Kaffee, den ich mit Zucker etwas gesüßt hatte und griff zu einem knusprigen Croissant, das so herrlich duftete, weil es frisch gebacken war. Ich aß es nicht trocken, sondern nahm noch Konfitüre dazu.
Es gab auch frisch gekochte Eier. Mit einem davon beschäftigte ich mich nach dem Verzehr des Croissants. »Du hast mit Julie schon heute Morgen gesprochen - oder nicht?«, fragte ich zwischen zwei Bissen.
»Habe ich.«
»Und?«
Suko schüttelte den Kopf und schaute mir beim Essen zu. »Warum fragst du so komisch?«
»Ich wollte es nur wissen.«
Er lehnte sich zurück. Dabei griff er zu einem Glas, in dem Orangensaft schimmerte. Als er es geleert und zur Seite gestellt hatte, sprach er mich an. »Irgendetwas stimmt doch mit dir nicht, John.«
»Ach ja? Wie kommst du darauf?«
»Es geht um dein Verhalten. Du wirkst so anders.«
»Wie wirke ich denn?«
»Nachdenklich. Wie jemand, der über etwas nachgrübelt.«
Ich nickte. »Da könntest du Recht haben, Suko. Ich denke tatsächlich über etwas nach.«
»Bitte, ich will dich nicht stören. Aber seltsam ist dein Verhalten schon. Es kommt mir vor, als hättest du noch kein Ergebnis.«
Ich hatte das Ei gegessen und knackte die Schale zusammen, die ich dann in den Eierbecher drückte.
»Genau, Suko, ich habe ein Problem und kein Ergebnis.«
»Hängt es mit den Gebeinen zusammen? Da werden wir uns noch etwas überlegen müssen. Der Meinung sind auch die Templer. Godwin hat sie zusammengerufen, um mit ihnen über die neue Lage zu sprechen. Er wird uns dann informieren. Wobei wir daran denken müssen, dass auch Julie Ritter eine Rolle spielt.«
»Ja, um sie geht es mir.«
Suko bekam große Augen. »Verflixt, John, jetzt sag mir endlich, was los ist. Du sitzt hier und kommst mir vor wie jemand, der das Grübeln überhaupt nicht mehr lassen kann.«
»Ich hatte heute Morgen bereits mein Erlebnis.«
Suko sagte nichts. Er schaute mich nur an und wartete auf eine Erklärung.
»Es ging um Julie Ritter.«
»Klasse. Und weiter?«
»Sie war bei mir.« Ich legte eine Pause ein, um es spannend zu machen. »Als ich vom Duschen zurückkam, lag sie nackt in meinem Bett.«
Ich sah, dass Suko lachen wollte, dann allerdings bemerkte er meinen Gesichtsausdruck und stellte schon fest, dass es mir verdammt ernst war.
»Wirklich?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ja, sonst hätte ich dir das nicht erzählt, Alter.«
Suko schüttelte den Kopf. »Aber wieso denn?«, flüsterte er. »Wie kommt ausgerechnet Julie Ritter dazu, sich nackt in dein Bett zu legen? Das will mir nicht in den Kopf. Das ist unwahrscheinlich oder unglaublich. So hätte ich sie nicht eingeschätzt.« Jetzt wollte er grinsen, aber er schaute mich noch mal an und schüttelte den Kopf. »Oder stimmt da etwas nicht, John?«
»Das kann man sagen.«
Er streckte mir seine linke Handfläche entgegen. »Geträumt hast du das wohl nicht.«
»Nein. Hör zu.« Ich beugte mich leicht über den Tisch hinweg und senkte meine Stimme. Dann erzählte ich ihm die ganze Wahrheit, und Sukos Augen wurden immer größer. Er gab auch keine Zwischenkommentare ab und meinte später nur: »Eins ist sicher, John. Hätte mir diese Geschichte ein anderer erzählt, ich hätte sie ihm nicht geglaubt. Kein einziges Wort, verstehst du?«
»Sicher. Mir wäre es nicht anders ergangen.«
Er schloss für einen Moment die Augen, dachte nach und sagte dann: »Sie war also plötzlich
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