1267 - Das chinesische Grauen
nicht gemeint.«
»Oh.« Ihre Augen weiteten sich. »Was dann?«
Ich lächelte schmal. »Es geht uns um Sie.«
Im ersten Moment wusste sie nicht, was sie antworten sollte. Sie räusperte sich und legte die Stirn in Falten. »Ich weiß nicht, ob ich mich geehrt fühlen soll, aber ich habe hier leider andere Aufgaben übernommen, was Sie bestimmt verstehen. Es war von mir nur ein Vorschlag. Wenn Sie nicht wollen, dann wird Ihnen keines unserer Mädchen Gesellschaft leisten.«
»Verstanden«, sagte ich und schaute ihr in die dunklen Augen. Zwischen ihr und uns schwebte die Helligkeit, die von den Leuchten abgegeben wurde. Etwas davon verteilte sich auch in den dunklen Augen, deren Ausdruck leicht misstrauisch oder forschend geworden war. Anscheinend kam es sehr selten nur vor, dass zwei Männer, die allein gekommen waren, keine Gesellschaft mochten.
»Sie sind Sabrina, nicht wahr?«
Meine Frage hatte sie überrascht, denn sie zuckte zusammen. »Oh, Sie kennen mich?«
»Jetzt auch vom Ansehen.«
»Und woher kannten Sie meinen Namen?«
»Die Tochter einer Bekannten hat ihn erwähnt.«
»Die jetzt leider tot ist«, fügte Suko hinzu, der genau wusste, worauf ich hinauswollte.
Ob Sabrinas Erschrecken echt oder nur gespielt war, wussten wir nicht. Jedenfalls zeigte sie Bedauern. »Tot…?«
»Genau. Und nicht nur das«, fügte Suko hinzu. »Die junge Frau wurde ermordet.«
»Nein!«
»Warum sollte ich lügen? Man hat sie auf schlimme Art und Weise getötet und ihr ein Bein genommen.«
Sabrina schwieg. Mit der Zungenspitze umfuhr sie die rot lackierten Lippen, und beim Einatmen bebten ihre Nasenflügel.
»So ist das«, sagte ich.
»Ja, ja, es ist schrecklich. Dann war sie so jung, und… und… sie sagte meinen Namen?«
»Sie hat ihn einige Male erwähnt«, erklärte Suko.
»Warum denn? In welch einem Zusammenhang?«
»Sie waren so etwas wie ihre Chefin. Schließlich hat sie im Dreifachen Paradies gearbeitet.«
Sabrina schwieg. Jetzt war auch ihr Mund verschlossen. Keine Zunge umspielte mehr die Lippen.
Sie senkte den Kopf. »Aber was habe ich damit zu tun? Ich habe sie nicht umgebracht.«
»Das stimmt«, sagte Suko. »Aber es gibt einen Mörder, und es gibt Hintergründe.«
»Ja, daran glaube ich auch.«
»Sie war auch nicht die einzige Tote, Sabrina«, sagte ich. »Aber das wissen Sie ja selbst.«
Ich erntete keinen Widerspruch. Da wir nichts sagten, fühlte sich Sabrina veranlasst, das Wort zu übernehmen. »Wir alle haben unter den schrecklichen Taten gelitten, aber wir sind nicht darin verwickelt. Denn wir wissen nicht, mit wem sich die Mädchen privat getroffen haben. Das geht uns nichts an.«
»Meinen Sie denn, dass es privat gewesen sein muss?«, erkundigte sich mein Freund.
»Was sonst?«
Ich saugte durch den Strohhalm das Getränk in meinen Mund. Erst danach sprach ich wieder. »Wir können uns vorstellen, dass es etwas mit dem Paradies zu tun hat.« Ich lächelte harmlos. »Dass alles in der großen Familie geblieben ist. Deshalb hat es die Polizei auch nicht geschafft, weiterzukommen.«
»Die Polizei?«
»Wer sonst?«
»Sie war hier. Die Beamten haben mit uns allen gesprochen, aber wir konnten nichts sagen.«
»Auch nicht der Chef?«
»Das weiß ich nicht. Er spricht mit uns darüber nicht. Das müssen Sie verstehen.«
»Trotzdem«, fuhr ich fort. »Auch wenn Sie nicht unbedingt viel mit ihm zu tun haben, können Sie uns trotzdem sagen, was dieser Jacky Wong für ein Mensch ist?«
»Nein, nicht so genau. Wirklich nicht. Er ist der Mann im Hintergrund. Er leitet hier alles. Er sorgt für einen reibungslosen Ablauf des Geschäfts hier. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er etwas mit diesen schrecklichen Taten zu tun hat.«
»Sie sind jedenfalls geschehen«, erklärte ich. »Und sie müssen aufgeklärt werden.«
»Ja, das meine ich auch. Nur suchen Sie hier an der falschen Adresse. Wir sind ein kleiner Kosmos. Wir halten zusammen. Und wie das oft so ist, bleibt nichts geheim. Wenn die Morde etwas mit unserem Paradies zu tun hätten, dann wäre das auch nach außen gedrungen.«
Ich zuckte die Achseln. »Ein kleiner Kosmos kann auch sehr verschwiegen sein.«
»Kann sein, aber nicht hier.«
Sabrina hatte sich wieder perfekt in der Gewalt. Ob sie sich wirklich traurig zeigte, das war nicht zu sehen. Ihr Gesicht glich wieder dieser kühlen Maske.
»Aber wir können ihn doch hier finden«, meinte Suko.
Sabrina zögerte mit der Antwort. »Äh… wie meinen Sie das?«
»Als Chef
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