13 alte Esel
Prophet...«
Bennekamp schnitt dem Pastor höchst respektlos das Wort ab. »Jungleu? Netter Leu !« höhnte er, sich mit einem karierten Baum-wolltaschentuch die Glatze wischend, »der Kerl ist ein Kamel! Wenn der Elf-Uhr-fünfundvierzig einen Heißläufer hat, daß die Achse glüht und der Qualm aus der Buchse stinkt, erkundigt et sich, ob er loskoppeln soll. So ein Rindvieh!«
»Sagen Sie nichts gegen Rindvieh. Überhaupt nichts gegen Vieh. Wi-wir hatten ‘ne Millijohn Stück Rindvieh drüben. Eine Milli-john. Und ein Rindvieh schöner als das andere, sag’ ich Ihnen. Prachtexemplare, jawoll. Und hier...« Don Chaussees eben noch munter prahlende Stimme brach von Bier und jähem Leid, »hier haben wir kein einziges. Das ist hart, wenn man sein halbes Leben lang Cowboy gewesen ist. Verstehen Sie das? Ach, verstehen Sie doch nicht. Können Sie nicht verstehen...«
Mitgefühl packte die fröhlichen Zecher.
»Nehmen Sie’s nicht so tragisch. Kommt ja alles wieder .«
»Schaffen Sie sich doch ‘nen Hund an .«
»Oder ‘nen Kakadu — was? Prost !«
»Ich könnte Ihnen ‘nen hübschen kleinen Kater ablassen«, tröstete der Bürgermeister, was den Doktor zu der tiefsinnigen Bemerkung veranlaßte: »Nicht nötig. Haben wir morgen früh alle .«
Feierliche Zustimmung. Ein schöner Nebel, bierfeucht und wehmutsschwer, wallte auf und legte sich weich um die Kanten und Schroffen des Daseins. Wie leid ihnen der arme rindviehlose Don Chaussee tat! Don Chaussee spürte Wellen brüderlichen Mitgefühls auf sich Zuströmen. Wann war ihm das je passiert? Er öffnete die Pforten seiner sonst verschlossenen Seele, und er verriet, was er anderswo und ohne den langentbehrten schäumenden Trank nicht verraten haben würde. »Sie erlaubt es nicht. Keine Tiere ins Haus, Josef, hat sie gesagt. Und — und sie kennen sie ja selber...«
In die schwere Stille, die sich beim Hinweis auf Frau Martha über den Stammtisch legte, trommelte ein neuer Regenschauer gegen die Läden, und von nebenan hörte man das Klappern eines Gartentores, das der Sturm auf und zu schlug.
Frau Martha! Wer von den Anwesenden hatte sich nicht schon den Kopf über sie zerbrochen? Anderthalb Jahre stand sie dem Heim vor, das der Fabrikant Ess aus der Stadt in seinem ehemaligen Sommerhaus eingerichtet hatte, und in dieser ganzen Zeit war sie mit dem Dorf nicht warm geworden .. Der Pastor ging gelegentlich hin, und der Doktor verarztete mal eins der Kinder, und die kleine Schwester Monika, ihre Hilfe, kaufte im Dorf das Nötigste ein, sonst aber waren die zwei Kilometer bis hinaus zum Heim wie eine Kluft, die man von beiden Seiten nicht übersprang. Na ja, und dann die Kinder selber... Brrr!
»Prost allseits !«
Hier drinnen vergaß man die Ungemütlichkeiten des Tages, hier war man geschützt vor allen Fährnissen der Natur. Frau Martha oder Sturm — bis hierher reichten sie nicht. Unwillkürlich rückten alle noch enger aneinander. Die Luft war zum Zerschneiden dick. »Zusammenhalten muß man«, sagte der Förster, und der Doktor pflichtete ihm bei: »Nicht unterkriegen lassen, Don Chaussee! Wir werden was dagegen tun. Man muß immer was dagegen tun .«
Sehr richtig, das war’s. Helfen mußte man. Wozu war man schließlich befreundet?
»Männerfreundschaft ist das einzige im Le’m«, sagte der Bürgermeister mit schon stark verminderter Zungenfertigkeit und etwas glasig dreinblickend. Er war auch verheiratet, und sein heldenmütiges Ertragen aller Streiche des Doktors rührte nicht zuletzt daher, daß er sich lieber ihnen aussetzte, als den Samstagabend mit seiner Frau zu verbringen, die gewaltig den Pantoffel schwang. Ein leiser Schauder überlief ihn. Seine Hand klammerte sich rettungssuchend um den Stiefel des Glases. »Prost !«
»Prost !«
Doch ehe sich die Pläne zu Don Chaussees Hilfe richtig formen konnten, zerriß das Telefon die Gedankengänge. Ungerufen erhob sich der Stationsvorsteher und quetschte sich, bereits leise schwankend und »Müller« vor sich hin murmelnd, zur Theke durch. Das Gespräch war kurz.
»Wie-waa? Waggon losgekoppelt, Zug weg und — und wie? Wie? — Nee, das kann doch — das ist doch nicht die Möglichkeit! — Müller, Mensch, Sie...« Der Hörer fiel ihm aus der Hand.
Kein Schimpfen, kein Toben. Dies ungewöhnliche Verhalten des cholerischen Stationsvorstehers rüttelte die bierselig müden Geister um den Tisch. Verblüfft und fast ein wenig erschrocken sahen sie ihm zu, wie er sich wankend auf dem Absatz
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