13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan
sein, daß der Feind nahe ist, und diesen selbst wird es zu einem übereilten Angriff verleiten. Was tust du mit den Gefangenen?“
„Ich schicke sie fort und lasse sie bewachen.“
„Im Tal Idiz?“
„Nein. Diesen Ort darf keiner sehen, der nicht ein Dschesidi ist. Aber es gibt eine kleine Schlucht, in der es möglich ist, die Gefangenen nur durch wenige Leute festzuhalten. Komm!“
In seinem Hause erwartete mich ein sehr reichliches Nachtessen, wobei mich seine Frau bediente. Er selbst war nicht zugegen, denn er mußte die Umkleidung der Gefangenen beaufsichtigen, welche dann abgeführt wurden. Diejenigen, welche die Uniformen der Türken erhielten, waren geschulte Kanoniere und rückten bald ab, um sich zu den Geschützen zu begeben.
Die Sterne begannen bereits zu erbleichen, als Ali Bey zu mir kam.
„Bist du bereit, aufzubrechen, Emir?“
„Wohin?“
„Nach dem Tal Idiz.“
„Du willst mitkämpfen?“
„Nein.“
„Dich uns nur anschließen, um zu sehen, ob wir tapfer sind?“
„Ich werde mich euch auch nicht anschließen, sondern hier in Scheik Adi bleiben.“
„Herr, was denkst du!“
„Ich denke, daß dies das Richtige sein wird.“
„Man wird dich töten!“
„Nein. Ich stehe unter dem Schutze des Großherrn und des Mutessarif.“
„Aber du bist unser Freund; du hast die Artilleristen gefangen genommen; das wird dir das Leben kosten!“
„Wer wird das den Türken erzählen? Ich bleibe hier mit Halef und dem Baschi-Bozuk. So kann ich für euch vielleicht mehr tun, als wenn ich in euren Reihen kämpfe.“
„Du magst recht haben, Emir; aber wenn wir schießen, kannst auch du verwundet oder vielleicht gar getötet werden!“
„Das glaube ich nicht, denn ich werde mich hüten, mich euern Kugeln auszusetzen.“
Da öffnete sich die Tür, und ein Mann trat herein. Er gehörte zu den Posten, welche Ali Bey ausgestellt hatte.
„Herr“, meldete er ihm, „wir haben uns zurückgezogen, denn die Türken sind bereits in Baadri. In einer Stunde sind sie hier.“
„Kehre zurück und sage den Deinen, daß sie immer in der Nähe der Türken bleiben, sich aber von ihnen nicht sehen lassen!“
Wir gingen vor das Haus. Die Frauen und Kinder zogen an uns vorüber und verschwanden hinter dem Heiligtum. Da kam ein zweiter Bote atemlos gelaufen und meldete:
„Herr, die Türken haben Kaloni längst verlassen und marschieren durch die Wälder. In einer Stunde können sie hier sein.“
„Postiert euch jenseits des ersten Tales und zieht euch, wenn sie kommen, zurück. Die Unserigen werden euch oben erwarten!“
Der Mann kehrte zurück, und der Bey entfernte sich auf einige Zeit. Ich stand am Hause und sah auf die Gestalten, die an mir vorüberzogen. Als die Frauen und Kinder vorbei waren, schlossen sich ihnen lange Reihen von Männern an, zu Fuß und zu Pferde; aber sie verschwanden nicht hinter dem Heiligtum, sondern erstiegen die nach Baadri und Kaloni gelegenen Höhen, um den Türken das Tal freizugeben. Es war ein eigentümliches Gefühl, das ich beim Anblick dieser dunklen Gestalten empfand. Ein Licht nach dem andern wurde ausgeblasen; eine Fackel nach der andern erlosch, und nur das Grabmal mit seinen beiden Türmen streckte seine flammende Doppelzunge noch immer zum Himmel empor. Ich war allein hier. Die Angehörigen des Bey waren fort; der Buluk Emmi schlief droben auf der Plattform, und Halef war noch nicht zurück. Da aber hörte ich den Galopp eines Pferdes. Halef sprengte heran. Als er absaß, erdröhnten von unten herauf zwei starke, krachende Schläge.
„Was war das, Halef?“
„Die Bäume stürzen. Ali Bey hat befohlen, sie zu fällen, um unten das Tal zu schließen und die Kanonen gegen einen Angriff der Türken zu schützen.“
„Das ist klug gehandelt! Wo sind die andern von den zwanzig?“
„Sie mußten auf Befehl des Bey bei den Geschützen zurückbleiben, und er hat außerdem noch dreißig andere Männer zu ihrer Bedeckung beordert.“
„Also zusammen fünfzig Mann. Diese könnten schon einen Angriff aushalten.“
„Wo sind die Gefangenen?“ fragte Halef.
„Bereits fort unter Aufsicht.“
„Und diese Männer hier ziehen schon zum Kampf?“
„Ja.“
„Und wir?“
„Bleiben hier zurück. Ich bin begierig, die Gesichter der Türken zu sehen, wenn sie bemerken, daß sie in die Falle geraten sind.“
Dieser Gedanke schien Halef zu befriedigen, so daß er nicht über unser Hierbleiben murrte. Er mochte sich auch sagen, daß dieses Bleiben wohl
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