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13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Decken kommen und legte mich in der Weise darauf, daß ich von unten nicht bemerkt werden konnte. Die beiden Diener nahmen später unweit von mir Platz.
    Es war mittlerweile so licht geworden, daß man ziemlich deutlich sehen konnte. Der Nebel wallte bereits im Tal auf; aber noch immer brannten die Lichter und Flammen des Heiligtums, ein Anblick der dem Auge weh zu tun begann.
    So vergingen fünf, ja zehn erwartungsvolle Minuten. Da hörte ich drüben am Abhang ein Pferd wiehern, noch eins, und dann antwortete ein drittes hüben von der andern Seite. Es war klar: die Truppen rückten zu gleicher Zeit an beiden Seiten in das Tal hernieder. Die Befehle des Miralai wurden mit großer Pünktlichkeit befolgt.
    „Sie kommen!“ meinte Halef.
    „Ja, sie kommen!“ bestätigte Ifra. „Herr, wenn sie uns nun für Dschesidi halten und auf uns schießen?“
    „Dann läßt du deinen Esel hinaus, an welchem sie dich sofort erkennen werden!“
    Kavallerie war jedenfalls nicht dabei; die Pferde, welche gewiehert hatten, waren Offizierspferde. Man hätte das Pferdegetrappel hören müssen. Nach und nach aber ließ sich ein Geräusch bemerken, das immer hörbarer wurde. Es war der Tritt vieler Menschen, die näher kamen.
    Endlich ertönten Stimmen von dem Grabmal her, und zwei Minuten später vernahmen wir den Marschschritt einer geschlossenen Kolonne. Ich erhob den Kopf und schaute hinab. Es waren vielleicht zweihundert Arnauten, prächtige Gestalten mit wilden Angesichtern, angeführt von einem Alai Emini und zwei Hauptleuten. Sie zogen in geschlossenen Gliedern das Tal hinab. Hinter ihnen aber kam eine Bande Baschi-Bozuk, die sich nach rechts und links zerstreute, um die unsichtbaren Bewohner des Tals aufzusuchen. Dann folgte eine kleine Kavalkade von lauter Offizieren: zwei Jus Baschi, zwei Alai Emini (Regimentsquartiermeister oder Rang-Major), zwei Bimbaschi (Major oder Bataillonschef), ein Kaimakam (Oberstleutnant), mehrere Kol Agassi (Stabsoffizier, Adjutant) und an der Spitze der Truppe ein langer, hagerer Mensch, mit einem außerordentlich grob zugehackten Gesicht, in der reichen, von Gold strotzenden Uniform eines Regimentskommandeurs.
    „Das ist der Miralai Omar Amed!“ meinte Ifra in achtungsvollem Tone.
    „Wer ist der Zivilist an seiner Seite?“ fragte ich.
    An der Seite des Obersten nämlich ritt ein Mann, dessen Züge höchst auffällig waren. Ich weiß, daß man einen Menschen nicht mit einem Wesen aus dem Tierreich vergleichen soll; aber es gibt wirklich menschliche Physiognomien, welche ganz unwillkürlich an bestimmte Tiere erinnern. Ich habe Gesichter gesehen, die etwas Affen-, Bullenbeißer- und Katzenartiges hatten; ich habe bei gewissen Gesichtsschnitten sofort an einen Ochsen, einen Esel, eine Eule, ein Wiesel, ein Rüsseltier oder einen Fuchs oder Bären denken müssen. Mag man nun Phrenolog und Physiognomiker sein oder nicht, man wird doch bald bemerken, daß auch die Haltung, der Gang, die Ausdrucksweise, das ganze Tun und Treiben eines solchen Menschen eine gewisse Ähnlichkeit mit der Art und Weise des Tieres besitzt, an das man durch die Physiognomie erinnert wurde. Das Gesicht des Mannes nun, den ich jetzt sah, hatte etwas Raubvogelähnliches; es war ganz das eines Stößers.
    „Es ist der Makredsch (Vorsteher des Gerichtshofes) von Mossul, der Vertraute des Mutessarif“, antwortete der Buluk Emini.
    Was wollte oder was sollte dieser Makredsch mit den Truppen hier? Ich konnte meinen Vermutungen darüber nicht nachhängen, denn jetzt ertönte plötzlich ein Kanonenschuß und noch einer. Ein wirres Heulen, Schreien und Rufen erscholl, und darin hörte ich ein Stampfen, als ob viele Menschen im Galopp herbeigesprungen kämen. Die Kavalkade hatte grad unter meinem Beobachtungsposten angehalten.
    „Was war das?“ rief der Miralai.
    „Zwei Kanonenschüsse!“ antwortete der Makredsch.
    „Sehr richtig!“ bemerkte der Oberst spöttisch. „Ein Offizier wäre wohl schwerlich auf diese Antwort gekommen. Aber, Allah, was ist das!“
    Die Arnauten, welche soeben erst vorüber marschiert waren, kamen in größter Unordnung und schreiend zurückgeflohen; viele unter ihnen blutig und zerfetzt, alle aber von höchstem Schreck ergriffen.
    „Halt!“ donnerte der Oberst. „Was ist geschehen?“
    „Man hat mit Kartätschen auf uns geschossen. Der Alai Emini ist tot und ebenso einer der Hauptleute; der andere liegt verwundert dort.“
    „Allah onlari boza-uz – Allah vernichte sie! Auf ihre eigenen

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