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13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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plötzlich verschwunden.“
    „Warum?“
    „Man weiß es nicht. Aber, Chodih, hier ist die Wohnung des Bey. Steige ab mit den Deinen und erlaube, daß ich dem Bey deine Ankunft verkündige!“
    Wir hielten vor einem langen, unscheinbaren Gebäude, dessen Ausdehnung allein verriet, daß es die Wohnung eines Anführers sei. Auf ein Wort Dohubs kamen einige Kurden herbei, um unsere Pferde in Empfang zu nehmen und in den Stall zu führen. Er selbst aber kehrte bereits nach wenigen Augenblicken zurück und führte uns zu dem Bey. Wir fanden denselben in einem großen Empfangsraum, bis zu dessen Tür er uns entgegenkam. Einige Dutzend Kurden, die sich bei unserm Eintritt erhoben, waren bei ihm. Er war ein Mann ende der Zwanzigerjahre, hoch und breit gewachsen; sein edles Angesicht zeigte den reinen kaukasischen Typus und wurde von einem starken, schwarzen Vollbart eingerahmt. Sein Turban hatte wenigstens zwei Ellen im Durchmesser; an seinem Hals hingen an einer silbernen Kette verschiedene Talismane und Amulette; seine Jacke war ebenso wie seine Hose mit reicher Stickerei versehen, und in seinem Gürtel funkelte neben einem Dolch und zwei mit Silber ausgelegten Pistolen ein wunderschön damaszierter Schyur (Säbel, Schwert) ohne Scheide. Der Bey machte nicht den Eindruck eines halbwilden Anführers von Räubern und Pferdedieben; seine Züge waren bei aller Männlichkeit doch weich und sanft, und seine Stimme klang freundlich und angenehm, als er uns begrüßte:
    „Sei mir willkommen, Emir! Du bist mein Bruder, und deine Gefährten sind meine Freunde.“
    Er reichte uns allen die Hand. Auf seinen Wink wurden beinahe sämtliche Kissen, welche sich in dem Raum befanden, zusammengetragen, um uns als Sitz zu dienen. Wir nahmen Platz, während die andern stehen blieben.
    „Ich habe gehört, daß ich mit dir in kurdischer Sprache reden kann?“ fragte er.
    „Diese Sprache ist mir nur sehr wenig verständlich, und meine Freunde verstehen sie gar nicht“, antwortete ich.
    „So erlaube, daß ich türkisch oder arabisch mit dir spreche!“
    „Bediene dich derjenigen Sprache, welche deine Leute hier verstehen“, sagte ich zu ihm aus Höflichkeit.
    „Oh, Emir, ihr seid meine Gäste, und so wollen wir so sprechen, daß deine Freunde mitreden können. Welche Sprache reden sie am liebsten?“
    „Die arabische. Aber, Bey, befiehl vorher deinen Leuten, daß sie sich setzen! Sie sind nicht Türken und Perser, sondern freie Kurden, die nur zum Gruß sich zu erheben brauchen.“
    „Chondekar (‚Herrscher‘, eine Höflichkeitssteigerung von Chodih, Herr), ich sehe, daß du ein Mann bist, welcher die Kurden kennt und ehrt; ich werde ihnen erlauben, sich niederzulassen.“
    Er gab ihnen ein Zeichen, und die Blicke, welche sie sich beim Niedersetzen zuwarfen, sagten mir, daß sie meine Höflichkeit anerkannten. Ich hatte es hier jedenfalls mit einem intelligenten Häuptling zu tun, denn im Innern von Kurdistan ist ein Mann, der neben einigen Dialekten seiner Muttersprache auch das Türkische und Arabische versteht, eine Seltenheit. Es ließ sich erwarten, daß der Bey sich auch noch des Persischen zu bedienen verstand, und im Verlauf meines leider nur sehr kurzen Beisammenseins mit ihm erfuhr ich, daß ich mit dieser Vermutung das Richtige getroffen hatte.
    Es wurden Pfeifen gebracht, zu denen man uns einen lieblich schmeckenden Reisbranntwein kredenzte, dem die Kurden mit großem Eifer zusprachen.
    „Was denkst du von den Kurden von Berwari?“ fragte mich der Bey.
    Diese Frage sollte wohl ohne alle Verfänglichkeit nur als Einleitung dienen.
    „Wenn alle so sind wie du, dann werde ich von ihnen nur Gutes erzählen können.“
    „Ich weiß, was du mir sagen willst. Du hast bisher nur Übles von ihnen erfahren“, bemerkte er.
    „Oh, nein! Habe ich nicht an Dohub und seinen beiden Verwandten nur Freunde gefunden?“
    „Du hast dir ihre Freundschaft und auch die meinige sehr reichlich verdient. Wir aber haben dir mit Undank vergolten. Willst du mir verzeihen? Ich wußte nicht, daß du es warst.“
    „Verzeihe auch du mir! Es hat einer von deinen Leuten sein Leben eingebüßt; aber wir tragen keine Schuld daran.“
    „Erzähle mir, wie es zugegangen ist!“
    Ich gab ihm einen ausführlichen Bericht und fragte ihn dann, ob hier ein Grund zur Blutrache vorliege.
    „Nach der Sitte dieses Landes muß er allerdings den Tod seines Vaters rächen, wenn er sich nicht die Verachtung aller erwerben will.“
    „Es wird ihm wohl schwer

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