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13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan

Titel: 13 - Im Schatten des Grossherrn 02 - Durchs wilde Kurdistan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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den Windhund aus dem Stall holen, um ihm mit den Resten des Zickleins einen Beweis ihrer Freundschaft zu geben. Es gab hier ein Zusammenhalten der Familienmitglieder, welches mich sehr angenehm berührte.
    Als wir ihrer Dienste nicht mehr bedurften, verließ sie uns, und wir machten es uns auf den an die Wand geschobenen Kissen so bequem wie möglich. In diesem süßen Nichtstun wurden wir durch den Eintritt eines Mannes gestört, den wir nicht erwartet hätten. Es war der verwundete Kurde. Er trug den Arm in einer Binde, die er sich um den Hals befestigt hatte.
    „Was willst du?“ fragte ich ihn.
    „Ein Bakschisch, Herr!“
    „Ein Bakschisch? Wofür?“
    „Daß ich dich nicht töten werde.“
    „Ich höre, daß dich das Fieber noch nicht verlassen hat. Wenn einer von uns beiden aus dem Grund, welchen du angibst, ein Bakschisch verdient hat, so bin nur ich es allein. Ich habe dir nicht bloß versprochen, dich nicht zu töten, sondern dir bereits das Leben erhalten, als du dich unter den Zähnen meines Hundes befandest. Was aber hast du für mich getan? Nach mir geschossen und gestochen hast du. Und dafür verlangst du einen Bakschisch? Gehe schnell fort, damit du nicht hörst, daß wir über dich lachen müssen!“
    „Herr, nicht dafür, daß ich auf dich geschossen und nach dir gestochen habe, verlange ich ein Bakschisch, sondern dafür, daß ich den Blutpreis angenommen habe.“
    „Den Blutpreis? Von wem?“
    „Vom Bey. Er hat ihn bezahlt.“
    „Wieviel hat er gegeben?“
    „Ein Pferd, eine Luntenflinte und fünfzig Schafe.“
    „Also bedeutend weniger, als du von mir verlangtest.“
    „Er ist mein Scheik; ich mußte auf ihn hören. Aber weil es so wenig ist, darum sollst du mir ein Bakschisch geben.“
    „Wäre ich ein freier, stolzer Kurde, ich würde nicht wie ein türkischer Hammal (Lastträger) um ein Bakschisch betteln. Da du es aber dennoch tust, so sollst du es erhalten; aber nicht jetzt, sondern erst dann, wenn wir Abschied nehmen.“
    „Wieviel wirst du mir geben?“
    „Das kommt ganz darauf an, wie du dich gegen uns verhalten wirst.“
    „Und wird unser Nezanum auch etwas erhalten?“
    „Hat er dir geboten, mich darüber zu fragen?“
    „Ja, er tat es.“
    „So sage ihm, daß ich nur dann einem Bettler etwas gebe, wenn er mich selbst bittet. Ist der Nezanum ein Mann, der von der Empfehlung des Propheten lebt, so soll er von uns gern eine Gabe erhalten; aber er mag dann selbst zu uns kommen, übrigens habe ich ihm bereits das Leben seines Sohnes geschenkt, und das ist mehr als jede andere Gabe.“
    Der Kurde ging. Er hatte den Blutpreis erhalten, aber sein Gesicht sah ganz so aus, als ob ich mich hüten müsse, ihm einmal unter anderen Umständen zu begegnen.
    „Was wollte der Kerl?“ fragte Lindsay.
    „Der Bey hat ihm an unserer Stelle den Blutpreis bezahlt, und nun – – –“
    „Wie? Der Bey?“
    „Aus Gastlichkeit!“
    „Nobel! Sehr nobel! Yes! Wieviel?“
    „Ein Pferd, eine Luntenflinte und fünfzig Schafe.“
    „Wieviel ist dies an Geld?“
    „Nicht mehr als fünf Pfund oder hundert Mark.“
    „Werde es ihm wiedergeben.“
    „Das wäre eine große Beleidigung, Sir. Wir müssen das durch ein Geschenk auszugleichen suchen.“
    „Gut! Schön! Was geben wir?“
    „Darüber wollen wir uns den Kopf noch nicht zerbrechen.“
    „Und nun verlangt dieser Mensch noch ein Bakschisch? – Master, was heißt auf Kurdisch ein Backenstreich, eine Ohrfeige oder eine Maulschelle?“
    „Sileik.“
    „Well! Warum habt Ihr ihm nicht einige Sileiks gegeben?“
    „Weil es nicht am Platz war. Ich habe ihm im Gegenteil ein Bakschisch versprochen, welches er erhalten soll, sobald wir von hier fortgehen.“
    „So erlaubt, daß ich es ihm gebe. Soll ihm zugleich zur Erinnerung und zur Besserung dienen!“
    Als der Bey seine Amtsgeschäfte erledigt hatte, kam er, um uns hinab in den Hof zu führen, wo das Mahl eingenommen werden sollte. Es waren zu demselben wohl an die vierzig Personen geladen, und außerdem kamen noch viele andere, um sich nach orientalischer Sitte ganz ungeniert selbst zu Gast zu bitten.
    Gegen Ende des Mahles stellte es sich heraus, daß die Speisen nicht für alle langten, und so erhielten die ‚Trollgäste‘ ein lebendiges Schaf, welches sie sich gleich selbst zubereiteten. Der eine machte ein Loch in die Erde; andere holten Steine und Holz zur Feuerung herbei. Derjenige, welchen die Wahl getroffen hatte, ergriff das Schaf, schnitt ihm die Kehle durch und

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