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1300 - Die Gänger des Netzes

Titel: 1300 - Die Gänger des Netzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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alltäglicher, desto besser." Ich nahm all meinen Mut zusammen. Entschlossen schritt ich auf die Halle zu. Vor der Tür blieb ich noch einmal stehen und wandte mich um. Gesil und Perry waren weitergegangen. Sie sahen nicht her. Dabei hätte ich ihnen so gern noch einmal zugewinkt. Ich griff nach dem schweren Türknopf und zog ihn zu mir heran. Für jemand, der es gewöhnt ist, dass Türen sich von selbst vor ihm auftun, wenn er sich ihnen nähert, ist es nicht leicht, eine Tür von Hand zu öffnen, zumal eine so massive wie diese hier. Ich fürchte, mein Eintritt war alles andere als würdevoll. Ich zwängte mich hastig durch die Öffnung, die gerade breit genug war, mich hindurch zulassen. Der schwere Türflügel kam hinter mir her. Ich hatte Angst, er werde mich zerquetschen.
    Es gab einen dumpfen, hallenden Ton, als die Tür sich schloss. Vor mir lag ein hell erleuchteter Raum. Eine Reihe von Stufen, die in Form konzentrischer Ringe rings an der Wand entlang liefen, führte zu der Ebene hinunter, auf der der Tisch stand. Ich staunte: Da waren wirklich nur der Tisch und ein paar Sitzgelegenheiten, unterschiedlich geformt, weil das Völkchen der Gänger des Netzes aus Wesen unterschiedlicher Gestalt bestand. Der Tisch war rund. Perry hatte mir den Grund dafür erklärt: In diesem Kreis war niemand ausgezeichnet. Alle hatten den gleichen Status, das gleiche Recht, den gleichen Rang. Netzgänger war Netzgänger. Die Form des Tisches reflektierte die Gleichberechtigung der Anwesenden.
    Vier Gänger des Netzes waren schon anwesend. Obeah hatte einen Tentakelarm ausgefahren und winkte mir zu. Er kauerte auf einem Schemel, der niedrig genug war, so dass er ihn unter dem Leib hindurch zwischen die vier Beine schieben konnte. Neben ihm saß Jen Salik. Er lächelte mich freundlich an und sagte: „Komm näher, Eirene, und setz dich. Wybort wird bald hier sein." Koroga, den Pailliaren, kannte ich ebenfalls schon von Kindheit an. Er hatte mich mit den Geschichten fasziniert, die er über seine Heimatwelt in der großen Kalmenzone von Siom Som zu erzählen wusste.
    Auch er grüßte mich freundlich.
    Am meisten aber freute ich mich über den vierten im Bund: Dhaq, den Ulupho. Wenn man ihn ansprach, dann bekam man zu hören, dass er nicht nur Dhaq sei, sondern vielmehr Dhaq aus dem Volk der Ulupho, vom tapferen Stamm der Aabo, Mitglied der ruhmreichen Sippe der Dhinga. Dhaq war ein dunkelbraunes Pelzbündel von zwanzig Zentimetern Durchmesser. Irgendwo unter dem dichten Haarwuchs hatte er eine unbekannte Zahl ungeheuer beweglicher Extremitäten verborgen. Sein Gesicht wurde von einem rüsselförmigen Vorsprung geprägt. Er hatte schwarze, wach und intelligent blickende Knopfaugen. Dhaq ruhte auf einem Podest, das gerade hoch genug war, so dass er über die Kante des Tisches hinwegblicken konnte.
    „Ich freue mich, dass du da bist, Dhaq", sagte ich zu ihm. „Ich wusste, dass du so empfinden würdest", antwortete er mit seiner hellen Stimme. „Ursprünglich wollten sie jemand anderen einladen, aber ich sagte zu ihnen: Heh, wenn ich nicht an der Feier teilnehme, wird Eirene unglücklich sein. Wollt ihr sie gleich am ersten Tag unglücklich machen? Das sahen sie ein und gaben mir eine Einladung." Was ein Ulupho erzählt, darf man nicht immer wortwörtlich nehmen. Die Pelzzwerge übertreiben gern, und Dhaq war keine Ausnahme.
    Ich setzte mich. Es wurde nicht mehr gesprochen. Jeder schien mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Ich sah verstohlen nach meiner Uhr und stellte fest, dass an Mittag nur noch drei Minuten fehlten. Wybort wurde erwartet, hatte Jen Salik gesagt. Wybort war ein Querione, einer der ursprünglichen Mitglieder der Organisation der Gänger des Netzes. Wybort existierte in körperloser, vergeistigter Form. Ich kannte auch ihn, und dennoch empfand ich einen Schauder, wenn ich mir vorstellte, wie er in dieser Sekunde mühelos die dicke Mauer des Gebäudes durchdrang und zu uns hereinschwebte.
    Es war ungeschriebenes Gesetz, dass bei jeder Initiierung mindestens ein Querione anwesend sein müsse. Fünf erfahrene Netzgänger waren insgesamt erforderlich, sonst. besaß der Abdruck des Einverständnisses keine Wirkung. Einer von den fünf musste ein Querione sein. Ein weithin hallender Ton brachte die Luft zum Vibrieren. Das war das Mittagssignal. Im selben Augenblick sagte eine Stimme in meinem Bewusstsein: „Ich sehe, wir sind vollzählig." Das war Wyborts Stimme. „Bestätigt ihr mir, dass das einzige Wesen in

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