1301 - Kreuzzug des Bösen
allein im Seat zurückzubleiben, doch er musste einsehen, dass es die einzige Möglichkeit war. Für John Sinclair wäre er keine Hilfe gewesen, nur ein Klotz am Bein.
Er war einfach noch zu schwach. Das ärgerte ihn, obwohl er es sich selbst eingestand. Zwar verbesserte sich sein Zustand auch, doch von einer Normalität war er weit entfernt. Das würde noch dauern, und er bezweifelte, dass er seine normale Kraft an diesem Abend noch zurückerlangen würde.
Der Turm der Kirche ragte wie ein kantiger Beobachter vor ihm auf. Allmählich verabschiedete sich auch das Tageslicht. Jetzt würde die Dämmerung gewinnen, und dann würden die Konturen zerfließen, sodass es unmöglich war, etwas Genaues erkennen zu können.
Genau das war dann ihre Zeit!
Seinen eigenen Zustand vergaß er, als sich seine Gedanken mit den Frauen beschäftigten. Sie waren einer gefährlichen Legende auf den Leim gegangen. De Salier wusste nicht, womit sie geködert worden waren, aber es musste ihnen einen wahnsinnigen Spaß machen, sich abseits zu stellen und einem bösen Traum nachzulaufen.
Was hatte man ihnen versprochen? Wieso stellte man sich auf die Seite einer eigentlich vergessenen Templerin, die allerdings ihre Kreuzzüge im Namen des Baphomet durchgeführt hatte?
Was wollte man?
Wollte man Macht bekommen? Vielleicht auch Einfluss in der Gesellschaft? Sollte ein neuer Geheimbund gegründet werden, der ausschließlich Frauen als Mitglieder zählte?
Das waren die Fragen, die ihn zusätzlich quälten. Er hatte es mehr als geahnt. Deshalb hatte er auch seinen Freund John Sinclair alarmiert, und wenn er daran dachte, was der Geisterjäger ihm erzählt hatte, dann konnte er die Frauen sogar verstehen. Es gab in der Ruine einen magischen Ort. Es war die zentrale Stelle überhaupt. Dort hatte Konstanza zum ersten Mal ihre Macht gezeigt. Da hatte sie sterben sollen. Statt ihrer jedoch waren andere ums Leben gekommen.
Verbrannt, nicht Konstanza, obwohl sie im Kohlenbecken gestanden hatte. Dass sie überlebt hatte, wies darauf hin, dass sie voll und ganz unter dem Einfluss des mächtigen Dämons stand und er wie ein Schutzengel über ihr schwebte.
In der Nacht würden sie zusammenfinden. Und dann? Was passierte dann? Er wusste es nicht. Seine Fantasie reichte auch nicht aus, um sich darüber Gedanken zu machen. Er hoffte nicht, dass sie die Menschen hier in Coleda töten wollten, die ihnen nichts getan hatten. Hundertprozentig sicher konnte er sich nicht sein. Wer konnte schon sagen, wen sie sich als Feinde aussuchten und wen nicht?
Er jedenfalls stand auf ihrer Liste. Und John Sinclair ebenfalls.
Daran gab es nichts zu rütteln.
John Sinclair war längst verschwunden. Der Himmel dunkelte immer mehr ein.
Auch um die Kirche herum verteilten sich die Schatten. Sie lagen auf den Gräbern, sie krochen über die Wege, und sie gerieten auch in die Nähe seines Wagens.
Hinter der hellen Mauer lagen die Gräber der Verstorbenen. Er konnte sie nicht sehen, bis auf zwei Ausnahmen. Da hatte man die Grabstätten mit hohen Kreuzen ausgestattet, die sogar über die Ränder der Mauern hinwegragten.
Wie viel Zeit seit dem Verschwinden seines Freundes vergangen war, konnte Godwin nicht genau sagen. Er beschäftigte sich wieder mit sich selbst. Es war einfach nicht seine Art, irgendwo in einem Fahrzeug zu sitzen und abzuwarten, dass etwas passierte. Er musste etwas tun, und er gehörte zu denjenigen, die gegen ihr Schicksal ankämpften.
Er öffnete die Tür. Dabei warf er fast zwangsläufig einen Blick in den Außenspiegel – und stellte sein Vorhaben zurück.
Er hatte etwas gesehen!
Im Spiegel hatte sich eine Bewegung abgezeichnet. Sie stammte bestimmt nicht von einem Tier, und geirrt hatte er sich auch nicht.
Er dachte an die Frauen, die hier im Ort die Herrschaft übernommen hatten. Sie würden auf Nummer sicher gehen. Sie würden anderen Menschen nichts glauben. Man hätte weiter aus dem Ort herausfahren sollen, um sich in der freien Natur ein Versteck zu suchen.
Sie hatten es nicht getan und würden nun die Zeche zahlen müssen.
Godwin hatte die Tür wieder zugezogen und beobachtete den Spiegel erneut.
Nein, da war nichts mehr zu sehen. Aber er hatte sich auch nicht getäuscht. Kein Streich seiner Fantasie. Jemand war ihm auf den Fersen gewesen.
Hier im Wagen fühlte er sich als Zielscheibe. Wenn die Verfolger es geschickt anstellten, konnten sie an ihn gelangen, ohne gesehen zu werden.
Genau das wollte Godwin vermeiden. Er vertraute auf
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