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132 - Entführt!

132 - Entführt!

Titel: 132 - Entführt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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einem Moment auf dennächsten.
    »Kommt herein.« Sie zog sich in die Hütte zurück und gab die Tür frei.
    Aruula musste sich bücken, um sich nicht den Kopf am Türrahmen zu stoßen. Im Inneren konnte sie gerade noch aufrecht stehen. Es war ihr Glück, dass die Dörfler offenbar hohe Räume bevorzugten.
    Mr. Hacker folgte ihr, und als sie ihn ansah, musste sie über das grenzenlose Staunen in seiner Mimik grinsen.
    ***
    Angst und Verzweiflung geraten in den Hintergrund, und sie empfindet ein wenig Ruhe. Ja, so soll es sein. Es ist richtig, das spürt sie tief in sich. Es gibt mehr als Bedrückung, mehr als das Gefühl, die Wände ihrer Behausung würden auf sie zudrängen und sie zwischen sich zerquetschen.
    Doch selbst die Ruhe ist nicht das, was sie tief in sich verborgen an Erinnerungen hegt. War da nicht eine unendliche Geborgenheit, ein allumfassender Friede? Davon ist sie weit entfernt.
    Neben dem Empfindungen und dem Wissen, das sie besitzt, ohne erklären zu können, woher es kommt, strömt etwas Neues auf sie ein.
    Es sind keine Gefühle, sondern Eindrücke, die auf anderen Wegen Eingang in ihr Bewusstsein finden. Sie droht überwältigt zu werden, mitgerissen von dieser neuen Erfahrung, sich zu verlieren im Strom der Informationen, die ihre Existenz schier zu sprengen vermögen. Die Welt, ihr Leben scheinen zu zerspringen, zu zersplittern und sich aufzulösen.
    Doch das, was sie hört, bleibt nur für kurze Zeit ohne Sinn.
    Denn es bedeutet etwas. Botschaften werden übermittelt, nicht wirklich für sie bestimmt. Dennoch dringen sie zu ihr – und sie versteht.
    Denn Worte existieren nicht um ihrer selbst willen, sondern transportieren eine Bedeutung. Ja, in Wirklichkeit sind Worte nur das Vehikel für Bedeutungen.
    So versteht sie, und ihr wird klar, dass sie deuten muss, was auf sie einströmt, in sie eindringt, sie wegzureißen scheint…
    Deuten, um die Bedeutung zu verstehen. Deuten, um sich nicht im Strom der Eindrücke zu verlieren, um nicht weggerissen und in tausend Stücke zerfetzt zu werden.
    ***
    »Was weißt du von Gurk?«, fragte die Zwergin, die sich als Ambra vorgestellt hatte.
    »Ich habe ihn getroffen, vor langer Zeit.« Aruula beschloss, ihr Gurks Schicksal schonend beizubringen. Es war nicht gerade dazu geeignet, Bekannte oder gar Verwandte in Hochstimmung zu versetzen. »Ihn… und seinen Sohn.«
    »Nicht seine Frau Siina?«
    Aruula schüttelte den Kopf. »Nein. Wir trafen ihn inmitten einer langen Tunnelröhre, wo er sich häuslich eingerichtet hatte.«
    »Richtig«, murmelte Ambra. »Gurk und einige andere Familien hatten sich dazu entschlossen, auf der Suche nach einer neuen Heimat den großen Tunnel zu durchqueren, um nach Britana zu gelangen. Du musst wissen, dass wir aus dem fernen Osten kamen. Wir haben keinen von ihnen je wieder gesehen.«
    »Ich fürchte, das werdet ihr auch nicht mehr«, sagte Aruula leise. »Gurk und sein Sohn waren die einzigen Überlebenden. Es gab Taratzen in dem Tunnel…«
    »Sie… sind alle tot, nicht wahr?« Es klang wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage. Kein Wunder; immerhin waren seitdem fast fünf Jahre vergangen.
    Aruula nickte.
    Ambra stampfte wütend auf. »Wir hatten ihnen gesagt, dass sie mit uns zusammen den Weg über das Wasser nehmen sollen! Warum haben sie nur nicht auf uns gehört! Chaa’t ba!«
    Die Zwergin lief noch ein paar Schritte auf und ab, dann setzte sie sich und stimmte eine klagende Litanei an. Sie verfiel dabei in den Dialekt, den auch Gurk damals gesprochen hatte und den Aruula nur bruchstückhaft verstand. Seit Gurks Volk in Britana angekommen war, hatte sich seine Sprache offenbar der hiesigen angeglichen.
    Unvermittelt begann die Frau zu singen. Ihr Lied erfüllte den Raum mit Schwermut. Die Zwergin hielt die Augen geschlossen und wiegte ihren Oberkörper leicht zu der Melodie. Aller Schmerz der Welt spiegelte sich in den Worten, die Aruula mit »Willkommner Tod, o Asche des Endes, decke uns zu…« übersetzte.
    »Was tut sie?«, fragte Mr. Hacker.
    »Es ist ein Klagelied«, erklärte Aruula. »Offenbar eine Überlieferung, denn sie verwendet den alten Dialekt ihres Volkes.«
    »Wer ist… oder vielmehr war dieser Abn el Gurk? Was hast du mit ihm erlebt?«
    Hackers Frage weckte Erinnerungen in Aruula, die sie schon lange verdrängt und vergessen gewähnt hatte. Wie zum Beispiel an das spezielle »Geschäft«, das sie mit Gurk eingegangen war, damit er ihr half. Ihr Schwert hatte er nicht gewollt, wohl aber

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