132 - Entführt!
Aber Honeybutt hatte schon schlimmere Gestalten gesehen.
»Auf keinen Fall«, entgegnete sie. Es war nur eine Frage von Sekunden oder Minuten, bis sich Aruula oder Hacker Gedanken über ihr langes Ausbleiben machen würden. Doch ihre Entschlossenheit geriet ins Wanken, als sich die Spitze des Speers auf die dünne Haut ihrer Kehle setzte.
»Sofort!« Die Angreiferin blickte sich gehetzt um, bot Honeybutt jedoch keine Möglichkeit, sie anzugreifen.
Notgedrungen gehorchte die Rebellin. Über die Schulter warf sie einen raschen Blick zurück. Die Lichtung war hinter den dicht stehenden Bäumen eher zu erahnen als wirklich zu erkennen. Warum hatte sie sich auch so weit von ihren Freunden entfernt?
Als sie vor sich einen abgebrochenen Zweig entdeckte, trat Honeybutt absichtlich darauf. Ein lautes Krachen hallte durch die winterliche Stille.
»Noch mal so was und du bist tot!«, zischte die unbekannte Kidnapperin dicht hinter ihr.
Honeybutt blieb stehen und drehte sich um. Sofort drückte sich die Spitze des Speers in den Mantel über ihrem Bauch.
»Was willst du von mir?«, fragte sie. Dabei warf sie einen Blick in Richtung der Lichtung, die jedoch mittlerweile so weit entfernt war, dass sie stark daran zweifelte, ob Aruula oder Mr. Hacker tatsächlich auf das Geräusch des brechenden Zweiges aufmerksam geworden waren.
»Du wirst alles erfahren. Doch zuerst warten wir ab, bis die Anderen verschwunden sind.«
Honeybutt schüttelte den Kopf. »Vergiss es. Meine Gefährten geben mich nicht auf. Sie werden mich finden und befreien.«
»Wir werden sehen. Weiter!«
Die Kleinwüchsige trieb Honeybutt noch für etwa eine Minute vor sich her, dann stoppte sie. »Rein da, und zwar sofort!« Sie deutete auf ein etwa einen Meter durchmessendes Erdloch. Offenbar hatte sie Honeybutt ganz gezielt hierher geführt.
»Ich denke gar nicht…«, begann Honeybutt, doch als sie den Speer in ihrem Rücken spürte, blieb ihr keine Wahl. Sie gehorchte, und ehe sie es sich versah, befand sich auch ihre Entführerin neben ihr im Erdloch.
Die Zwergin ließ den Speer fallen. Dafür drückte sie jetzt einen Dolch an Honeybutts Kehlkopf. »Jetzt werden wir warten.« Die Hand, die den Dolch hielt, zitterte leicht.
Honeybutt sah, dass ihre Entführerin die Lippen zusammenpresste. Sie war aufs Höchste angespannt.
»Etwas – etwas ruft mich«, flüsterte die Zwergin plötzlich und riss überrascht die Augen auf. »Ich… ich muss es abblocken.«
Das klang fast so, als hätte die Frau telepathische Fähigkeiten. Oder schlicht den Verstand verloren…
Honeybutt begann leicht zu schwitzen. Sie zwang sich dazu, einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie musste hier raus, und das schnellstmöglich.
»Faathme«, sagte ihre Entführerin unvermittelt, nachdem sich ihre Gesichtszüge wieder entspannt hatten.
Honeybutt zog fragend eine Augenbraue nach oben. »Was?«
»Mein Name«, erklärte die Frau. »Faathme el Sabn Chat Ischtaa.«
»Kareen Hardy… Honeybutt.« Das Ganze erschien ihr in zunehmendem Maße grotesk. Eine solche Situation war nicht gerade dazu angetan, Höflichkeiten auszutauschen und sich einander vorzustellen.
»Wieso hast du so dunkle Haut?« Die Zwergin schien noch nie eine Schwarze gesehen zu haben. Seltsam… »Wo ich herkomme, ist das nichts Ungewöhnliches«, sagte Honeybutt vorsichtig und unverbindlich.
Faathme fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »So? Ich habe dich ausgesucht, weil ich dachte, du wärst eine Außenseiterin… wie ich.«
»Was hast du mit mir vor?«, stellte Honeybutt ihre drängendste Frage.
»Still!«, sagte Faathme unvermittelt und fuchtelte mit der freien Hand vor ihrem hässlichen Gesicht herum. »Deine Begleiter suchen dich. Die Frau verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten.«
Sie redet von Aruulas Lauschsinn, erkannte Honeybutt erstaunt. Also ist sie tatsächlich eine Telepathin!
»Doch sie wird dich nicht ausfindig machen«, fuhr Faathme fort, »dafür sorge ich. Es tut mir Leid, aber ich brauche deine Hilfe.«
Eine Entführung und ein Messer an der Kehle sind nicht gerade die beste Art, darum zu bitten, dachte Honeybutt. Laut sagte sie: »Und wie soll diese Hilfe aussehen?«
»Ich benötige ein Transportmittel, um fliehen zu können.«
»Vor wem bist du auf der Flucht?«
»Das ist nicht wichtig. Ich muss weg von hier, und du wirst mir helfen. Ich… ich töte dich, wenn du mir keine andere Wahl lässt«, fügte sie hinzu, doch es klang nicht wirklich überzeugt.
»Ich habe die
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