1325 - In der Höhle des Löwen
Gespräch. Es hatte sie mitgenommen, und sie kam sich vor, als hätte man sie soeben aus der Sauna gezogen.
Auch ihr Herz klopfte schneller.
Mit dem Handrücken wischte sie über ihre Stirn und flüsterte:
»Hoffentlich habe ich alles richtig gemacht…«
***
Ich wünschte mir, die Gabe zu besitzen, um durch transzendentale Tore in andere Welten zu gelangen. Leider war mir das nicht gegeben, aber Mallmann und Justine hatten diese Gabe. Wir waren plötzlich verschwunden, und bevor ich noch einen klaren Gedanken fassen konnte, befand ich mich bereits in dieser anderen Welt.
In der Vampirwelt.
Ich sah es, als wir den Spiegel verließen, der im Prinzip keiner war. Er reichte bis zum Boden, und hätte uns jemand von vorn her beobachtet, dann hätte er zwei Wesen gesehen, die zuerst nur Schattengestalten waren, dann aber normale Körper bekamen und zu dritt plötzlich vor dem Spiegel standen.
Ich war nicht zum ersten Mal hier. Ich kannte mich aus. In dieser Welt war es dunkel, aber nicht stockfinster. Es gab trotz allem Licht, nur sah ich die Quellen nicht. Es war eine Helligkeit, die sich in oder hinter der Dunkelheit versteckte, aber noch so weit vordrang, dass sie für ein gewisses Grau sorgte. So war es mir möglich, in dieser Welt etwas zu erkennen. Die Umrisse der kahlen Felsen, auf denen kein Grashalm wuchs. Ich sah auch die Schluchten dazwischen, als ich die Hütte verlassen hatte, die leicht erhöht lag, und ich konnte auf den Friedhof schauen. Er war ein altes Gräberfeld, das mich immer an die staubige Kulisse eines Horrorfilms erinnerte.
Es stimmte. Mallmann und die Cavallo hatten mich in die Vampirwelt geholt, um mich vor dem Schwarzen Tod zu warnen.
Damals hatte ich allerdings ein paar Probleme mit den ausgemergelten Blutsaugern bekommen, die mich unbedingt hatten leer trinken wollen.
Es war ihnen nicht gelungen. Dafür waren sie jetzt aus der Welt geschafft worden.
Und jetzt?
Jetzt passierte nichts. Ich stand vor der Hütte und stützte mich auf dem Griff des Schwertes ab, bei dem das Innere der Klinge einen leichten Glanz abstrahlte.
Suchend bohrten sich meine Blicke in die düstere Welt hinein, ohne jedoch etwas erkennen zu können. Ich sah den Schwarzen Tod nicht, auch nicht die fliegenden Vampirmonster, diese verdammte Welt war düster und leer, ebenso der Himmel.
Hinter mir hörte ich die leichten Schritte. Ich wusste, dass Justine Cavallo kam, und so brauchte ich mich nicht umzudrehen.
»Suchst du was?«
»Wieso? Sehe ich so aus?«
»Ja.«
Sie stand an meiner rechten Seite. Ich schaute sie für einen Moment an und nickte dann. »Du hast Recht, Justine, ich suche tatsächlich etwas.«
»Was denn?«
»Eure Freunde. Eure Artgenossen. Die bleichen und blutleeren Bewohner dieser verdammten Welt. Sie sind nicht da. Ich vermisse sie fast. Sonst kamen sie, um sich mit frischem Blut zu versorgen.«
»Es gibt sie nicht mehr«, erklärte mir die blonde Bestie, und es hörte sich an wie ein Knurren.
»Die Vampirmonster?«
»Wer sonst? Sie haben sie sich geholt. Sie haben sie zerrissen. Du wirst sie bestimmt noch sehen.«
Eine derartige Aussage aus Justines Mund zu hören, war wirklich außergewöhnlich. In der Antwort hatte auch die Wut darüber mitgeklungen. Oder auch der Hass. Es war verständlich. Justine Cavallo und Will Mallmann hatten sich hier ein Refugium aufgebaut und sich sehr wohlgefühlt. Auch wenn ich das nicht verstehen konnte, doch jetzt war nur noch die äußerliche Hülle vorhanden.
Ich schaute die blonde Bestie von der Seite her an. Das schien ihr nicht zu gefallen, denn sie verengte die Augen. »Was willst du, Sinclair?«
»Nichts weiter. Ich denke noch immer darüber nach, dass ich euch zur Seite stehen soll, wo du doch am liebsten mein Blut trinken würdest.«
»Das stimmt.«
»Versuch es!«
»Nein, nein, ich kann mich noch beherrschen. Das unterscheidet mich von den anderen meiner Artgenossen. Ich will Blut, das stimmt. Aber ich habe auch Pläne. Das ist der Unterschied zu meinen Artgenossen. Sie lassen sich ausschließlich von der Gier leiten.«
»Und was ist jetzt?«, höhnte ich, »was habt ihr erreicht? Nichts, einfach gar nichts. Ich schaue hier in diese Welt hinein und sehe nichts. Nur Leere. Das ist alles. Leere, wohin ich schaue. Nicht mal die Vampirmonster sind zu sehen.«
»Sie haben sich zurückgezogen.«
»Wie der Schwarze Tod?«
»Genau.«
»Ich bin gespannt auf ihn. Er wird ebenso gespannt auf mich sein. Und dann…«
»Werden wir ihn
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