1351 - Templergold
und gab nicht auf. Sein dunkles Haar klebte auf dem Kopf.
Es hing in nassen Strähnen bis auf die Schultern herab.
Es war unmöglich, einen Kurs zu halten. Das merkte auch der Kapitän, als er nach dem Ruder griff, um Carlos zu unterstützen.
Da war nichts mehr zu machen. Die Santa Christina war und blieb ein Spielball der Wogen. Das würde auch bis zum bitteren Ende so bleiben.
Allmählich machte sich auch Navarro mit dem Gedanken vertraut, dass sie es nicht schaffen würden. Zwar war die Santa Christina ein starkes Schiff, aber irgendwann musste sie unter dieser Urgewalt zerbrechen.
Es stampfte schwer. Es schüttelte sich. Es wollte dem Orkan Paroli bieten. Es wollte seine Stärke beweisen, aber es ächzte, stöhnte und schrie auch wie unter mörderischen Schmerzen, wenn es wieder von den Brechern erwischt wurde.
Navarro wusste, welches Vertrauen man in ihn und seine Mannschaft gesetzt hatte. Bei Nacht und Nebel war das Schiff beladen worden. Man hatte ihm nicht gesagt, welche Ladung die Truhen enthielten. Aber es waren Mitglieder des Templerordens gewesen, die die Ladung in den Bauch des Schiffes geschafft hatten.
Navarro war kein Dummkopf. Er wusste, dass die Templer von der Inquisition gejagt wurden und dass ihnen nichts anderes übrig blieb, als zu fliehen. Im Laufe der Jahrhunderte und besonders bei und nach den Kreuzzügen hatten sie ein großes Vermögen angehäuft. Gold, Juwelen, Edelsteine, auch Silber und kostbares Geschmeide. Das alles musste vor den Verfolgern in Sicherheit gebracht werden. Zumindest teilweise. Navarro glaubte, dass sich im Bauch seines Schiffes eben dieses Templergold befand, das in den Norden, nach Schottland, geschafft werden sollte.
Ob sie das jemals schaffen würden, daran konnte er einfach nicht mehr glauben.
Der Orkan flaute nicht ab. Er toste weiter mit seiner mörderischen Kraft. Die Wellen wuchsen turmhoch. Gläserne Todesboten, die sich durch nichts aufhalten ließen. Der mächtige Wind trieb sie auf das Schiff zu, und beide Männer rissen die Augen auf, weil sie vor sich etwas sahen, das sie einfach nicht glauben wollten.
Aus dem Meer heraus entwickelte sich eine Monsterwelle. Sie war so hoch, dass es die Männer kaum schafften, sie zu beschreiben.
Aber sie kannten sie aus den Erzählungen der wenigen Überlebenden und wussten, was es bedeutete.
Eine derartige Welle fraß alles. Es gab nichts, was sich ihr entgegen stellen konnte. Sie war einfach mörderisch. Sie baute sich auf, sie schien sich recken zu wollen und erinnerte die Männer an eine Wand aus Wasser.
»Neiiinnn!«, brüllte Carlos. »Nein…«
Navarro sagte nichts. Er konnte nichts mehr sagen. Er schaffte es nicht mal, Atem zu holen. Sein Blick galt einzig und allein der Welle.
Er hatte seine Augen weit aufgerissen, und ein ungläubiger Ausdruck stand darin. Das konnte und durfte nicht mehr wahr sein. So etwas war einfach zu schlimm. Der Himmel war nicht mehr zu sehen, weil die gewaltige Wand aus Wasser alles verdeckte.
Mit pfeifenden und jaulenden Lauten trieb der Orkan sie voran.
Von den Geräuschen des Wassers war in diesen Augenblicken nichts mehr zu hören. Navarro hatte mal von der berühmten Stille vor dem Tod gehört, und genau diese war eingetreten.
Er hatte auch den Eindruck, sich nicht mehr in der normalen Welt zu befinden, sondern in irgendeinem Zwischenreich, in das bereits der Sensenmann seine Klauen streckte.
In dieser seltsamen Stille klangen plötzlich Schreie auf. Es waren die Mitglieder seiner Mannschaft, die sie ausgestoßen hatten. Jeder von ihnen hatte bereits von diesem Albtraum gehört. Man betete vor jeder Reise, dass diese Welle nicht komme.
Jetzt war sie da!
Und sie rollte heran!
Es war ein besonderes Schauspiel, denn sie senkte sich nur langsam nach unten. Es konnte auch eine Sinnestäuschung sein, da war sich der Kapitän nicht so sicher. Vielleicht täuschten ihn seine Augen, aber das Monster war vorhanden.
Er wünschte sich weit weg. Er verfluchte sich dafür, die Reise angetreten zu haben, doch Navarro konnte nichts mehr tun. Er musste mit ansehen, wie das gewaltige Gebilde immer tiefer fiel. Es wurde begleitet von einem hohl klingenden Pfeifen, als lauerten irgendwelche Geister im Hintergrund, die auf knöchernen Flöten spielten.
»Gott steh uns bei!«, keuchte Carlos und duckte sich, denn die Welle fiel auf das Schiff nieder…
***
Keiner der Seeleute hatte bisher einen Blick in die Hölle geworfen.
Aber schlimmer als diese Welle konnte selbst die
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