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140 - Im Land der Feuerdrachen

140 - Im Land der Feuerdrachen

Titel: 140 - Im Land der Feuerdrachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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dorthin. Daran war die CF-Strahlung Schuld, die seit fünfhundert Jahren über dem Erdball lag.
    Ken beschloss, keine Zeit zu verlieren. Bei einer so gefährlichen Mission wie dieser konnte jeder Moment der letzte sein. Er durfte nicht länger warten, sondern musste die Meldung so rasch wie möglich absetzen. Das schützende Waldstück unbemerkt zu erreichen, dauerte jedoch mindestens eine Stunde. Das war natürlich zu lang. Viel zu lang.
    Er musste das Risiko eingehen und von hier aus funken.
    Langsam ließ er seine rechte Hand in Richtung Beintasche gleiten. Es dauerte voll fünf Minuten, das Sendegerät daraus hervorzuziehen und an seinen Mund zu führten. Auf größere Entfernung war diese Bewegung praktisch unsichtbar. Sie lief langsam genug ab, um nicht als Veränderung der Bodenstruktur aufzufallen.
    Ken schob den Knopflautsprecher unter den vorstehenden Kapuzensaum, steckte ihn ins Ohr, aktivierte das Gerät und drückte den Sendeknopf.
    »Sukeroku an Kabuki«, sprach er leise in das eingelassene Mikrofon. Er wartete einige Sekunden, in denen der Kennruf über die vereinbarte Frequenz hinaus ging, dann wiederholte er: »Sukeroku an Kabuki, bitte kommen.«
    Ihm gefiel es, den Namen der bekannten Heldenfigur aus dem Theaterstück Sukeroku zu verwenden. Ken war ein Fan des Kabuki-Theaters, ebenso wie Kyoko Otonashi, seine Leitoffizierin.
    »Hier Kabuki«, meldete sie sich nach einigen Sekunden, die einer Ewigkeit gleich kamen. »Sprechen Sie, Sukeroku.«
    Immer förmlich, na klar. Schließlich wurden die Gespräche aufgezeichnet. Trotzdem verzog er seine Lippen unbewusst zu einem Lächeln, während er sich vorstellte, wie Kyoko mit ihren Kopfhörern vor dem Sendegerät saß und seinen Worten lauschte, die mit einiger Verzögerung über das ISS-Relais aus dem Orbit drangen. Sicher trug sie gerade die maßgenau geschneiderte Uniform, die ihr so gut stand.
    »Zielpunkt erreicht«, meldete er, ihr Bild, das in ihm aufsteigen wollte, verdrängend. »Verdächtige Aktivitäten haben sich bestätigt. Feind verfügt über Feuerdrachen, die massive Veränderungen vornehmen. Sie…« Er zögerte plötzlich, weil ihm auffiel, dass die Basis mit dem Begriff Feuerdrachen nichts anfangen konnte. Er musste die Tiere genauer beschreiben. Gleich nachdem er von ihren Aktivitäten berichtet hatte.
    Noch bevor Ken dazu kam, den Faden wieder aufzunehmen, spürte er ein warnendes Kribbeln im Nacken. Eine physikalische Ursache gab es dafür nicht. Es war ein in Hunderten von Missionen erworbener Instinkt, der ihn warnte; Sekunden bevor sich die Sonne über ihm verdunkelte.
    Kens Muskeln verkrampften sich, denn der über ihn hinweg streichende Schatten stammte von einem Todesrochen.
    »Sukeroku!«, rief ihn Kabuki an. »Was ist los? Ich höre Sie nicht mehr!«
    Kyokos Stimme dröhnte in seinem rechten Ohr, während er wie gelähmt ausharrte. Der Schatten, der ihn völlig bedeckte, verschwand wieder, aber nur um gleich darauf von der Seeseite zurückzukehren.
    Dunkler und intensiver als zuvor.
    Ein kalter Windstoß pfiff über Ken hinweg. Er fühlte sich regelrecht in den Stein hineingepresst. Dumpfe, flappende Geräusche begleiteten den auf ihn einwirkenden Druck. Es klang, als würde ein großes Blech zum Schwingen gebracht.
    Der Späher wusste sofort, dass es sich um den Flügelschlag des Todesrochens handelte. Sein Herz begann zu rasen, die Kehle wurde ihm eng. Verdammt, das durfte doch nicht wahr sein!
    Wie hatte ihn das Vieh bloß entdeckt?
    Sich weiter zu verbergen war sinnlos, das spürte er genau.
    Ruckartig warf Ken sich herum, um wenigstens nicht von hinten niedergemacht zu werden. Trotz allen Mutes, den er ihm Laufe der Jahre bewiesen hatte, gefror ihm das Blut in den Adern, als er unvermittelt den weißen Bauch des Rochen sah, der so dicht über ihm in der Luft stand, dass er sein gesamtes Sichtfeld ausfüllte.
    Sanfter Schwingenschlag sorgte für Turbulenzen, die Ken auf den Boden drückten.
    Wie gebannt starrte er auf das großporige, ein wenig schwammige Gewebe, das nach vorne hin in einem schnabelförmigen Auswuchs mündete. Zwei Reihen spitz zulaufender Zähne glitzerten mit dem grünen Kristallsplitter um die Wette, der in der Stirn des Wesens saß. Direkt über vier mitleidlos glänzenden Knopfaugen und sechs kurzen Tentakelarmen, die aus dem bizarren Gesicht hervor wuchsen.
    »Ich bin entdeckt!«, brüllte Ken ins Sprechfunkgerät, das er so fest gegen seine Lippen presste, dass sie aufsprangen und zu bluten

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