140 - Zombies auf der Reeperbahn
Grund haben. In
Morna begann langsam eine dumpfe Ahnung zu glimmen.
Ob freiwillig oder unfreiwillig - Hollenz
sollte die Voraussetzungen für ein gutes Gedeihen der »Zombie-Saat« legen. Wo
viele Menschen verkehrten, vermehrten sich auch die Zombies.
Morna Ulbrandson stand vor der Wohnzimmertür.
Dahinter lag der Raum, in dem sie vorhin zu sich gekommen war.
Sie lauschte. Es war nichts zu hören.
Dann erst drückte sie langsam die Klinke
herab.
Die schwedische PSA-Agentin war auf jeden
möglichen Zwischenfall eingerichtet. Nur nicht auf das, was sie schließlich
entdeckte.
Im Zimmer brannte nur eine kleine Tischlampe.
Die Fenster waren verhangen, und damit war
der Blick zum Hof und auf die Rückseite des »Einäugigen Piraten« versperrt.
Mitten im Raumstand ein Tisch, darauf ein
Projektor. Zweieinhalb Meter von diesem entfernt war eine Leinwand aufgestellt.
Halbschräg neben dem Projektionstisch stand
ein bequemer Sessel.
Darin saß jemand, hatte die Linke auf der Sessellehne
liegen und hielt eine Filmrolle in der Hand.
Am Ärmel erkannte Morna, daß es sich nur um
Professor Hollenz handeln konnte. Er trug einen beigefarbenen Pullover, an
dessen Ärmeln die Ellbogen mit einem Ledereinsatz versehen waren.
Hollenz schien so in Gedanken versunken, daß
er nichts von der Besucherin neben sich bemerkte. Er schien nicht mal zu
wissen, daß die Tür zu seinem Apartment offenstand.
Aber das konnte auch einen anderen Grund
haben. Hollenz hatte einen Besucher hier gehabt, dem er Filmaufnahmen - mit
großer Wahrscheinlichkeit von seiner Reise - zeigte.
Morna räusperte sich leise. Es war das erste
Geräusch, das sie nach dem Betreten der fremden Wohnung verursachte.
»Nicht erschrecken, Professor«, sagte sie
dann leise. »Ich bin’s Morna ... Ihre Tür stand offen, da konnte ich nicht
widerstehen, einzutreten .«
Noch während sie sprach, trat sie einen
Schritt weiter vor - und damit um den Sessel herum.
Schon beim ersten Wort hätte Hollenz
reagieren müssen. Aber er tat es nicht.
Entweder er hatte einen so festen Schlaf
oder...
Das »oder« wagte sie nicht zu Ende zu denken.
Aber es entsprach der Wirklichkeit.
»Professor!«
Morna starrte in sein sonnengebräuntes,
maskenhaft starres Gesicht.
Er saß da mit offenen Augen, völlig
entspannt, als ob er schliefe, den Mund leicht geöffnet.
Aber er schlief nicht.
Professor Hollenz -
war tot!
*
Morna Ulbrandson fühlte seinen Puls, horchte
sein Herz ab und prüfte seinen Atem.
Der Körper hatte alle Funktionen eingestellt.
Sie konnte auch keine äußeren Verletzungen
feststellen.
Die Haut fühlte sich noch warm an, und der
Ausdruck der Augen war normal.
Professor Hollenz war kein Zombie und erst
vor wenigen Minuten gestorben.
Ein natürlicher Tod? Herzschlag?
Sie zog diese Möglichkeit in Betracht, konnte
sich aber mit diesem Gedanken
trotz allem nicht recht anfreunden.
Zuviel Rätselhaftes war geschehen, und
Hollenz spielte eine Rolle bei diesen rätselhaften Vorfällen.
Morna verließ die Wohnung nicht gleich.
Der Projektor war bereits eingeschaltet, die
Leerspule eingelegt. Ob Hollenz, und wer auch immer eventuell noch sein
Besucher gewesen sein konnte, dazu gekommen war, die Filmaufnahmen zu sehen,
wußte sie nicht.
Sie nahm dem Toten die volle Spule aus der
Hand und fädelte den Film in den Projektor ein.
Der Film war nicht mit einer Tonspur
versehen. Am Projektor selbst war auch kein Tonbandgerät angeschlossen. Demnach
war der Film noch nicht fertig bearbeitet.
Diese Vermutung stimmte, wie sie gleich
darauf sah.
Die ersten Szenen zeigten, daß einige
Aufnahmen unscharf waren, Schnittstellen flackerten und Farbkleckse über die
Leinwand huschten.
Dann kamen die ersten klaren Bilder:
Totale auf ein Dorf aus Lehmhütten mit
Strohdächern.
Es war dunkel.
Auf dem Dorfplatz waren alle Eingeborenen
versammelt, Männer und Frauen.
An der Seite bearbeiteten in hektischem
Rhythmus dunkelhäutige und wild bemalte Gestalten die Trommeln. Tänzer in
Leopardenkostümen führten einen rituellen Tanz auf.
An der Kameraführung erkannte Morna
Ulbrandson, daß die Aufnahmen aus einem nahen Busch gemacht worden waren,
offenbar verbotenerweise, denn die Kamera wechselte während der Tanzdarbietungen
ihren Standplatz nicht.
Junge Frauen und Mädchen leiteten den Tanz
ein. In wilden Zuckungen warfen sie ihre Schultern vor- und rückwärts und
rannten einander an, als wollten sie sich gegenseitig umwerfen. Der Tanz wurde
immer wilder,
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