Söhne der Rosen - Die rätselhaften Zwillinge (Gay Phantasy) (German Edition)
Donnerstag, 26. Juni 1997 – 15:23 Uhr
Cape Orchid
Manipulierte Raumzeit
„Hey, Muskelprotz“, sagte er und hob die Flasche Olivenöl hoch. „Hast du schon einmal gerungen?“
Alain und ich standen uns in dem sonnendurchfluteten, staubigen Saal gegenüber. Das Licht verlieh seiner Haut unter dem Netzshirt einen blassgoldenen Schimmer.
„Häufiger, als du denkst. Glaub mir.“ Ich grinste.
Ein beinahe unmerkliches Zucken huschte über Alains Gesicht. Ich hatte es in letzter Zeit – wenn man davon sprechen kann – häufiger gesehen, und es machte mir diebischen Spaß, zur Abwechslung mal ihn zu verwirren.
„Okay, aber kennst du auch den griechisch-römischen Stil, in Kombination mit dem türkischen?“
„Beschränken wir uns doch einfach darauf, dass alle Griffe erlaubt sind. Stimmt’s?“
Alain stellte die Flasche Öl neben die Gläsern mit Eistee auf den alten Holztisch zurück.
„Julian, Julian“, sagte er und grinste nun seinerseits. „Fast wäre ich darauf reingefallen, du Hund. Das wievielte Mal ist das jetzt?“
„Keine Ahnung. Ich habe schon lange nicht mehr mitgezählt.“
Ich ging zwei Schritte auf ihn zu, legte meine Arme um seine Hüften und küsste ihn. Obwohl er ganz genau wusste, was vor sich ging, und obwohl er ähnliche Situationen wie diese zu Hunderten selbst erlebt und initiiert haben musste, war er jedes Mal beinahe ein bisschen beleidigt. Die ersten Monate unseres Kennenlernens in der Zeit, die normale Menschen als normale Zeit bezeichnen, war er immer der wissende und geheimnisvolle Typ. Ich glaube, er hat das sehr genossen, besonders, da ich damals ziemlich naiv war.
Endlich legte er seinen Arm auf meine Schulter, streichelte mit seinen Fingern über meinen Nacken und glitt mit der anderen Hand über meinen Po. Dabei sah er mir tief in die Augen.
„Also kann ich ja wohl davon ausgehen, dass mit uns alles gut gelaufen ist. Du lebst nun in dieser Villa, und da wir uns jetzt und hier begegnen, gehe ich weiter davon aus, dass du deinen Nachfolger noch nicht gefunden hast.“
„Was macht dich da so sicher?“
„In dem Fall würdest du bestimmt keine Zeit mit mir verbringen wollen.“
Ich lachte und drückte ihn fester an mich.
„Ach Alain, ich kann es mir noch immer nicht vorstellen, dass ich einen anderen Menschen so lieben könnte wie dich.“
„Das habe ich in deiner Situation auch gedacht. Aber vergiss nicht: dann kamst du.“
Mein Lächeln wurde eine Spur dünner, meine Mundwinkel von einem Hauch Eifersucht auf seinen Vorgänger manipuliert. Noch immer war es schwer für mich zu begreifen, dass Alain zur selben Zeit, da wir dort standen, mit seinem Vorgänger – seinem Ex-Freund, wenn man so will – zusammen war, ihn vielleicht gerade in dem Moment ebenfalls in den Armen hielt. Aber es ist auch nach Jahren nicht leicht zu begreifen, was für Konsequenzen es mit sich bringt, wenn für manche Menschen auch die Zeit mehrere Dimensionen besitzt, ähnlich wie der Raum.
Alain bemerkte sofort meine leichte Gemütsveränderung und versuchte, dieser entgegenzuwirken.
„Hey, hatte ich denn wenigstens einen coolen Abgang? Sag, dass ich bei unserer Trennung nicht geheult habe. Wenn ich geheult habe, bringe ich mich um.“
„Das kannst du gar nicht und das weißt du. Abgesehen davon hast du nicht geweint. Du warst cool wie ein gefrorenes Zäpfchen in einem Eskimohintern.“
Das war eine Lüge, aber eine angemessene. Warum sollte ich sein Ego ankratzen? Außerdem würde dieser Alain später verschwunden sein.
„Haha, das passt zu mir. Aber du hast dich doch bestimmt in Tränen aufgelöst, richtig?“
„Ich habe einen Freudentanz aufgeführt, als du endlich weg warst, alter Mann.“
Lüge.
„Ich hasse es, wenn du mich so nennst. Aber das sage ich wahrscheinlich immer.“
„Jedes Mal.“
„Warum machst du es dann?“
„Weil es mir Spaß macht, dich zu ärgern, du Sexprotz. Komm her.“
Wir küssten uns länger als zuvor, dabei streiften wir langsam unsere Shirts ab.
Die Bezeichnung alter Mann war zwar halbwegs richtig, aber nicht zutreffend. Technisch gesehen besaß Alain die Erfahrung von über vierzig Jahren, nur, dass er mit einundzwanzig aufgehört hat, zu altern, so wie ich mit neunzehn Jahren. Moderne Peter Pans, ewig jung, nicht den zerfressenden Gesetzen der Zeit und der Welt ausgeliefert. Dafür aber einigen anderen. Alles hat seinen Preis.
„Und, was machen wir jetzt?“, fragte Alain mit
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