1409 - Der Kopf des Zwillings
ein Nicken. Sie wirkte auch erleichtert. Dann bat sie uns ins Haus.
In einem recht langen Flur waren einige der Werke ausgestellt, die unter den geschickten Händen von Helen Lester entstanden waren.
Ich stellte einige Fragen dazu, was genau richtig in diesem Moment war, denn Helen blühte auf, als sie uns von ihren Arbeiten erzählte.
Danach führte sie uns in einen Wintergarten, der zugleich als Atelier diente. Da eine Tür gekippt war, konnte auch etwas frische Luft eindringen. Sie vertrieb den Geruch von Erde und Farbe nicht ganz.
Aus einer hellblauen Schachtel klaubte Helen eine Zigarette. Mit etwas fahrigen Bewegungen zündete sie den Glimmstängel an und blies den Rauch hastig durch die Nasenlöcher.
»Jetzt werden Sie natürlich fragen, warum ich…«
Ich entschuldigte mich, dass ich sie unterbrach. »Pardon, aber wir waren dabei, als Sie mit Ihrem Mann telefonierten.«
»Ach, dann wissen Sie Bescheid?«
»Genau.«
Sie rauchte noch einige Züge und deutete mit dem Kopf in eine bestimmte Richtung.
»Da hat er gestanden.«
»Der Zwerg?«, fragte Suko.
»Ja, er. Aber ich weiß nicht, wie er in das Haus gekommen ist.«
»Könnte es auch ein Liliputaner gewesen sein?«, wollte ich wissen.
»Sie kennen die Menschen sicherlich aus dem Zirkus oder vielleicht aus dem Fernsehen.«
»Natürlich.« Sie nagte für einen Moment auf ihrer Unterlippe. »Ich denke schon, dass Sie Recht haben. Er sah tatsächlich so aus. Der große Kopf, der kleine, aber kompakte Körper. So stellt man sich einen Liliputaner vor.«
»Was wollte er?«, fragte Suko.
»Dieser seltsame Zwerg hat mich nach dem Kopf gefragt.«
Mit allem hätten wir gerechnet, damit allerdings nicht, und so schauten wir ziemlich überrascht aus der Wäsche.
»Ein… ein Kopf?«, fragte ich.
»Ja, Sie haben richtig gehört, Mr. Sinclair.«
»Aber was denn für ein Kopf?«
»Das weiß ich auch nicht«, sagte sie mit leiser Stimme. »Da bin ich wirklich überfragt.« Sie blickte sich um. »Okay, ich bin Künstlerin. Ich beschäftige mich bei meinem plastischen Arbeiten auch mit der Anatomie eines Menschen, und dazu gehört nun mal auch der Kopf. Aber das wird dieser Besucher wohl nicht gemeint haben.«
Ich wandte mich Burt Lester zu, der auf einmal sehr still geworden war. »Können Sie uns erklären, was mit diesem Kopf gemeint war?«
Er räusperte sich und wollte noch nichts sagen. Aber er wusste etwas, das sah ich ihm an.
»Wollen Sie nicht reden?«, fragte Suko.
Ein schwerer Atemzug, verbunden mit einem leisen Stöhnen. »Ja, ich denke schon, dass ich etwas weiß.«
»Und was?«
»Es… gibt den Kopf!«
Diese Antwort hatten wir uns zwar gewünscht, aber nicht so direkt mit ihr gerechnet, und so schauten wir uns an.
»Also doch«, flüsterte Helen und musste schlucken. »Ich habe schon gedacht, dass es alles ein Irrtum war, was dieser Zwerg mit da gesagt hat. Das ist es also dann doch nicht.«
»Genau.«
»Und weiter?« Helen drückte ihre Kippe aus, ließ aber dabei den Blick auf ihren Mann gerichtet.
»Wie soll ich das sagen?«, fragte er mit leiser Stimme. »Mir ist das alles auch suspekt. Ich kenne mich nicht aus, wirklich nicht, das muss man mir glauben…«
»Wo haben Sie den Kopf gefunden?«, fragte ich.
»Im Wald.«
»Aha. Und dort lag er einfach so herum?«
»Nein, verdammt, nein!«, schrie Burt Lester. »Ich begreife das ja alles selbst nicht. Er lag nicht nur einfach so herum. Er hat sich unter dem Baum befunden. Unter der verdammten Eiche, die wir fällen mussten. Als sie kippte, wurde er freigelegt.«
»Das ist in der Tat etwas Besonderes«, sagte ich, während Suko zuhörte und Helen nur staunen konnte. »Wenn der Kopf unter dem Baum im Wurzelwerk verborgen gelegen hat, muss er ja verwest sein, denke ich mir. Warum haben Sie ihn dann mitgenommen? Er befindet sich doch wohl hier in Ihrem Haus – oder?«
Auf meine letzte Frage erhielt ich noch keine Antwort. Dafür griff Burt meine vorherige Bemerkung auf.
»Er war nicht verwest…«
»Nicht?«, flüsterte Suko.
»Nein, war er nicht.«
»War er noch frisch?«
»Das weiß ich nicht. Es war ja auch kein richtiger Menschenkopf, sage ich mal.«
»Sondern?«
»Ein Schädel aus Kristall!«
Die Antwort hatte wirklich gesessen. War uns der Fund des Kopfes schon etwas ungewöhnlich vorgekommen, so konnten wir jetzt nur staunen, und das zeigten wir auch.
Nur Helen Lester hatte damit ihre Probleme. Sie fing an zu lachen und schüttelte sich.
»Das kann doch nicht
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