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1409 - Der Kopf des Zwillings

1409 - Der Kopf des Zwillings

Titel: 1409 - Der Kopf des Zwillings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Der Mann mit der Säge fühlte sich wohl. Er liebte dieses Gerät, das ihm das Gefühl der Macht gab. Wenn er das Singen hörte, das ihn trotz des Ohrenschutzes erreichte, war er glücklich. Wer konnte ihm dann noch etwas anhaben?
    Den Sichtschutz hatte er vor das Gesicht gedrückt. Durch sein Visier konzentrierte er sich auf das Ziel. Der Baum hatte einen verdammt dicken und widerstandfähigen Stamm, der bereits dicht über dem Boden krumm wuchs mit einem leichten Drall nach rechts. Ein wenig höher breitete er seine gewaltigen Arme aus. Ein in den langen Jahrhunderten gewachsenes Geäst aus unterschiedlich langen Ästen und Zweigen, die, wenn sie mit Laub gefüllt waren, so etwas wie ein Dach bildeten.
    In diesem Jahr hatte die alte Eiche noch keine Blätter getrieben.
    Man konnte sie als nackt bezeichnen, und das würde so bleiben, denn im Frühling würde der Baum kein Kleid mehr bekommen.
    Sie Säge sang ihr Lied. Unter dem Visier verzog sich der Mund des Holzfäller zu einem Lächeln. Zwei Augen visierten bereits die Stelle an, wo der Baum seine erste Wunde bekommen würde. Wäre er ein Mensch gewesen, dann hätte er geschrieen.
    Manchmal hatte sich der Fäller sogar die Frage gestellt, ob ein Baum schreien konnte. Gehört hatte er nie etwas, aber es gab Menschen, die so etwas behaupteten.
    Jemand trat ihm plötzlich in den Weg. Es war Burt Lester, der Vorarbeiter, der von der Seite her an ihn herangetreten war und jetzt mit beiden Händen winkte.
    Der Arbeiter blieb stehen. Auf ein Zeichen des anderen Mannes hin stellte er die Säge ab und nahm den Gehörschutz von seinen Ohren.
    »Was ist denn?«
    »Ich muss dir noch etwas sagen, Paul.«
    »Ach…«
    Burt Lester drehte sich dem Baum zu. »Wenn du die Säge ansetzt – und das gilt auch für seinen Kollegen –, dann achtet darauf, dass der Winkel genau eingehalten wird. Er muss einfach nach links hin wegfallen, das habe ich ausgerechnet. Sein Gleichgewicht ist indifferent. Ich will auch nicht, dass zu viele andere Bäume vom Gewicht des fallenden Riesen mitgerissen werden.«
    Paul grinste und sagte: »Klar doch.«
    »Gut. Ihr seid die Besten. Beweist es.«
    »Gern, Chef.«
    Burt Lester, der Vorarbeiter und Chef der kleinen Truppe, zog sich wieder zurück. Der Waldweg lag nur wenige Schritte hinter ihm.
    Dort waren sie mit schweren Gerät angefahren. Es blieb ja nicht allein beim Fällen. Wenn der Riesenbaum einmal lag, musste er noch zersägt werden. Nicht durch die Hände von Menschen. Dafür würde eine Maschine sorgen, die von einem Fachmann gesteuert wurde.
    Burt Lester konnte mit seiner Arbeit bisher zufrieden sein. Die Vorbereitungen waren getroffen. Es lief eigentlich alles optimal ab, und trotzdem wurde er ein ungutes Gefühl nicht los. Erklären konnte er es sich nicht. Es war da, und für ihn war es wie aus dem Nichts gekommen. Da war dieser Druck im Magen, der die Zweifel in ihm hochsteigen ließ.
    Zu seiner Gruppe gehörten vier Mitarbeiter. Allerdings hatte er mit keinem der Männer über seinen Zustand gesprochen.
    Er blieb bei den beiden Fahrzeugen stehen. Er lehnte sich dabei gegen die linke Tür des übergroßen Pick-up mit der langen und breiten Ladefläche. Seine dicke Stoffjacke trug er offen, denn ihm war zu warm geworden. Erklären konnte er sich das alles nicht, denn in seinem Leben hatte er schon zahlreiche Bäume gefällt. Auch jetzt sah er keinen Grund, nervös zu sein.
    Am liebsten hätte er einen von seinen Zigarillos geraucht, doch darauf musste er im Wald verzichten. Auch wenn er die Bäume fällen ließ, letztendlich war er ein Mensch, der die Natur liebte.
    Zwei seiner Männer gingen den Baum an. Zwei Experten, die schon lange in diesem Job arbeiteten. Sie würden dafür sorgen, dass auch diese Eiche endlich fiel.
    Die beiden Sägen waren wieder angestellt worden. Sie jaulten, sangen ihr Lied der Zerstörung, und die beiden Arbeiter schauten sehr genau hin, wo sie die Werkzeuge ansetzten. Sie taten es von verschiedenen Seiten. Die Stahlblätter würden sich in den Leib des Baumes fressen. Keile würden entstehen, die alte Eiche würde dem eigenen Gewicht nicht mehr standhalten können. Schließlich benötigte man nur mehr einen leichten Schlag, damit das mächtige Gebilde der Natur endlich kippte.
    Perfekt. So wie immer. Nur um die alte Eiche tat es Burt Lester Leid, aber er hatte den Auftrag bekommen, und nach seinen eigenen Befindlichkeiten durfte er nicht fragen.
    Lester und seine Männer waren schon recht früh in das

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