1418 - Grabgesang der Geistermönche
Gestalt vor sich sah. Zugleich war ihm klar, dass dieser Mönch all seine Pläne über den Haufen werfen konnte, und genau das wollte er nicht zulassen.
Er sagte nichts und beobachtete nur.
Der Mönch schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war blass geworden.
Dünne, schwarzgraue Haare waren gescheitelt. Die kleinen Augen verschwanden fast zwischen den seitlichen Fettpolstern, und es war dem Mann anzusehen, dass er mit dieser Überraschung nicht so leicht fertig wurde.
»Noch mal, was machen Sie hier?«
Michael Meier hatte sich wieder gefangen. Er lachte vor seiner Antwort. »Das sehen Sie doch. Ich habe mich hier mal ein wenig umgeschaut. Interessant, kann ich Ihnen sagen.«
»Gehen Sie!«
»Nein!«
»Gehen Sie sofort!«
»Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Ich werde bleiben, und ich werde das alte Gewölbe durchsuchen. Ich weiß nämlich verdammt genau, was ich finden will.«
»Um Gottes willen! Sie machen sich unglücklich! Das müssen Sie mir glauben!«
»Kann sein, Meister, aber dieses Unglück ist geplant. Ich weiß genau, was ich tue.«
»Nein, das wissen Sie nicht.«
»Ich kenne die Wahrheit, verdammt!«
Der Mönch, der hier hatte kontrollieren wollen, wusste nicht, was er sagen sollte. Er ahnte, dass es verdammt schwer sein würde, den Eindringling zu überzeugen, und er versuchte es noch ein letztes Mal.
»Sie müssen gehen. Sie machen sich unglücklich. Sie können Ihr Leben verlieren, glauben Sie mir.«
»Klar, ich weiß. Ich kann alles verlieren. Aber ich kann auch einiges gewinnen, und das ist mehr, als ich verlieren werde.«
»Ihr Leben?«
Michael gab eine spöttische Antwort. »Glauben Sie wirklich, dass ich hier mein Leben verlieren werde? Nein, ich werde vieles gewinnen, denn ich gehöre hierher.«
»Wer sind Sie?«
»Ein Engel!«, flüsterte Michael. »Und zwar ein besonderer Engel. Ein Erzengel. Ich bin Michael!«, erklärte er voller Stolz. »Ja, ich bin die Reinkarnation des Erzengels Michael. Ihm ist das Kloster hier geweiht worden. Und ich habe es wiederentdeckt. Ich bin es, verstehst du? Ich bin die Reinkarnation des Erzengels…«
Der Mönch hatte zugehört, ohne eine einzige Zwischenfrage zu stellen. Er schien auch nicht dazu in der Lage zu sein, denn er konnte nur den Kopf schütteln.
»Du glaubst mir nicht?«
Der Mönch räusperte sich. »Nein, das kann nicht sein. Das ist unmöglich. Das glaube ich einfach nicht. Ich will es auch nicht glauben.«
»Warum kannst du die Wahrheit nicht vertragen?«
»Weil es diese Wahrheit nicht gibt, Himmel noch mal! Der Erzengel hat unsere Vorfahren fasziniert. Sie haben ihm das Kloster geweiht, aber sie haben ihn nicht gesehen, verstehst du? Sie haben ihn niemals gesehen, verdammt noch mal.«
»He, du kannst ja fluchen!«
»Gehen Sie endlich!«
In den Augen des Eindringlings blitzte es auf. Michael hatte den Adrenalinstoß gespürt. Auf keinen Fall wollte er sich an seinem Tun hindern lassen. Er hatte zu lange darauf hingearbeitet. Die Dinge würden sich ändern müssen. Und dieser Mönch war in seinen Augen kein Hindernis.
»Du schaffst es nicht, mich aufzuhalten!«, flüsterte er ihm ins Gesicht. »Das ist nicht möglich. Ich werde meinen Weg gehen und jedes Hindernis aus der Welt räumen.«
Der Mönch wollte etwas erwidern. Aber er sah, wie ernst es dem Sprecher war, der nicht mehr auf seinem Platz stehen blieb und mit langsamen Schritten auf ihn zukam.
Dabei hob er das Schwert an.
Der Mönch schüttelte den Kopf. Er wusste genau, was da auf ihn zukam. »Nein, nein, das können Sie nicht tun! Bitte, lassen Sie das. Das ist Mord. Sie – Sie…«
»Nein, es ist kein Mord. Ich räume nur ein Hindernis aus dem Weg, verstehst du? Ich werde mich nicht aufhalten lassen, schon gar nicht von dir.«
Weit riss der Mönch seinen Mund auf. »Der Fluch wird Sie treffen. Der Fluch der Geistermönche! Sie gibt es noch. Sie werden es nicht zulassen.«
»Ich weiß, dass es sie gibt. Sie haben damals den falschen Weg eingeschlagen. Sie haben den Erzengel verraten. Nun bin ich gekommen, um diesen Verrat zu rächen.«
Es ist ihm ernst!, dachte der Kuttenträger. Es ist ihm verdammt ernst. Und er wusste auch, dass ihm nur eine Chance blieb: sich so schnell wie möglich herumzuwerfen und die Flucht nach oben anzutreten.
Er fuhr herum, aber er kam nur einen Schritt weit, denn plötzlich jagte etwas glühend Heißes in seinen Rücken, das innerhalb kürzester Zeit seinen Körper zu verbrennen schien.
Der Mann bekam keine Luft mehr.
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