144 - Condano, der Magier
wirklich unangenehm war. Zardoni sah gut aus, war höflich und konnte sympathisch lachen, aber dennoch war er ihr in den letzten Minuten unheimlich geworden.
Sie bewegte sich durch schmale Seitenstraßen. Hier waren rechts und links die Schaufenster der Geschäfte, die Murano-Glas in tausend Variationen verkauften, von dekorativen Weinpokalen über riesige Kristalllüster bis zu Kitschfigürchen. Man konnte alles zu jedem Preis bekommen, je nach Geschmack und Geldbeutel.
Und es wimmelte von Touristen.
Gaby schob sich zwischen ihnen durch, überquerte den Rio di San Moise und den Rio dell'Albero, wandte sich nach links und stand nach hundertfünfzig Metern wieder am Canale Grande. Hier gab es eine Anlegestelle. Sie fuhr mit dem vaporetto wieder zum Markusplatz zurück und sah sich nach einem anderen Wasserbus um, der sie zum Lido bringen konnte.
Falls Giovanni Zardoni sie verfolgt hatte, hatte er sie verloren. Denn als sie den Wasserbus bestieg, hatte sie ihn nicht mehr gesehen.
Sie löste ein neues Ticket und war wenig später unterwegs. Der Lido und ein erfrischendes Bad am Strand erwartete sie.
Coco Zamis verzog das Gesicht. „Scheußlich, dieser Cappuccino! Wenn du den jemandem zu trinken gibst und ein Vampir fällt ihn an, stirbt der Vampir an dem Gesöff." Bedächtig kippte sie den Inhalt ihrer Tasse in einen Abfallbehälter. Dorian sah sie strafend an.
„Vielleicht hättest du etwas Zucker hineintun sollen", schlug er vor.
Mit grimmiger Miene zeigte ihm Coco die leeren Zuckertüten.
„Offenbar hat der Bursche, der dieses Zeug gebraut hat, heute seinen schlechten Tag. Ich dachte immer, es gäbe Dosiermaschinen. Aber hier ist mehr Kaffeesatz drin als im stärksten Espresso! Trinken kann man's nicht… Rian, bist du so lieb und beschaffst mir eine Cola?"
Dorian war so lieb.
Plötzlich stutzte er. Er sah einen jungen Mann mit auffälligem Schnurrbart, der aufwärts gezwirbelt und an den Enden eingerollt war. Dorian konnte selbst nicht sagen, was es war, das ihm an diesem Mann auffiel. Der Schnurrbärtige schlenderte, die Daumen hinter der Gürtelschnalle verhakt, zwischen den Menschen hin und her und verhielt sich eigentlich völlig normal.
Der Dämonenkiller zuckte mit den Schultern.
Die Coladose in der Hand, kehrte er zu Coco zurück. „Siehst du den Mann da? Nein? Weiter links… "
Aber er war schon in der Menge untergetaucht.
„Schade", sagte Dorian. „Ich hatte gehofft, du könntest mir sagen, was mir an ihm auffiel."
„Ach. Ich darf jetzt also schon für dich denken, ja?" fragte sie mit gerunzelter Stirn. Dann lächelte sie spitzbübisch. „Tief bist du gesunken, Dorian…"
„Im Gegenteil", widersprach er. „Der Mann von Welt denkt nicht selbst, er läßt denken, ich hoffe, daß ich bei der Auswahl meines Zusatzgehirns Geschmack bewiesen habe."
Coco lächelte. „Ausnahmsweise, mein Lieber, ausnahmsweise… Was war mit dem Mann?"
Dorian beschrieb ihn ihr. Aber die Hexe zuckte nur mit den Schultern.
„Mir unbekannt… falls du meinst, daß er zu einer Dämonensippe gehört, so bin ich ihm zumindest noch nie begegnet."
„Wenn ich jetzt wüßte, was mit ihm los ist, hätten wir vielleicht bereits eine Spur", sagte Dorian nachdenklich. Er musterte die Auslagen in einem Schaufenster. Auch hier Murano-Glas und Kristalle. Winzige Figürchen, darunter eine ganze Sippschaft daumengroßer Teufel in allen Variationen aus rotem Glas, dicht daneben eine Kolonie Gespenster, die aussahen, als seien sie alle gerade dem Film „Ghostbusters" entsprungen, und das alles flankiert vom rosaroten Panther in mindestens fünfzig Größen.
„Sieht direkt dienstlich aus", murmelte Dorian angesichts der Teufelchen und Gespenster. „Vielleicht können uns ein paar Freunde helfen", schlug Coco vor.
Dorian schüttelte den Kopf. „Darauf können wir uns nicht verlassen, und ich habe auch nicht vor, die ganze Stadt erst einmal nach Freunden und Verbündeten abzusuchen."
Sie befanden sich nicht zum ersten Mal in der Lagunenstadt. Vor nicht allzulanger Zeit hatten sie hier einen Vampir gehetzt und zur Strecke gebracht, und in ihrer Jugendzeit hatte Coco es hier einmal mit einem bösartigen Dämon zu tun gehabt; schon damals war sie das „weiße Schaf" innerhalb der Schwarzen Familie gewesen. Aber darauf, daß ihnen jene wieder helfen würden, die ihnen damals halfen, konnten sie nicht vertrauen. Sie mußten allein klarkommen.
Zur Polizei gab es ebenfalls keinen Kontakt. Dorian konnte nicht einfach in
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