1461 - Katakomben des Wahnsinns
da weiter denke, fehlen eigentlich nur noch die Vampire, nicht wahr?«
»Sie sagen es, Sinclair. Aber sie fehlen nicht. Vielleicht sind sie dabei. Kann man Vampire nicht auch als Zombies ansehen, als lebende Leichen? Als Wiedergänger, die nur ihrem Trieb nachgehen und das Blut der Menschen saugen wollen?«
Ich nickte. »So ist, Mr. Reuter, aber das bringt mich nicht weiter. Werden Sie bitte konkret. Sie wissen etwas, aber Sie halten sich dabei stark zurück. Warum?«
»Weil es gefährlich ist.«
»Und woher wissen Sie das alles, Mr. Reuter? Woher beziehen Sie Ihre Informationen?«
»Wollen Sie das wirklich wissen?«
»Ja, natürlich. Sonst hätte ich nicht gefragt. Halten Sie mich doch nicht für so dumm. Ich habe meine Zeit auch nicht gestohlen. Woher haben Sie das, was Sie mir hier erzählt haben? Aus welch einem Roman? Welche Geschichte hat Sie so inspiriert, dass Sie mir hier die Zeit stehlen?«
»Ich stehle Ihnen keine Zeit!« flüsterte er mir zu. »Verdammt, noch mal, begreifen Sie das endlich! Das ist alles wahr, was ich Ihnen da gesagt habe.«
»Dann hatten Sie also Kontakt?«
»Ja.«
Ich fuhr noch nicht fort, sondern schaute mir den Mann genauer an. Uns trennte nur dieser schmale Tisch aus dunklem Holz. Dirk Reuter war nicht nur zu sehen, sondern auch zu riechen. In den letzten Minuten hatte er angefangen zu schwitzen. Wahrscheinlich war er von anderen Voraussetzungen ausgegangen. Er konnte wohl nicht begreifen, dass ich nicht in Jubelstürme ausbrach.
»Den Kontakt kann ich Ihnen auch zeigen, Sinclair, wenn Sie es genau wissen wollen.«
Ich musste grinsen. »Das würde dann so aussehen, dass wir beide hier den Knast verlassen und Sie mich zu diesem Ort hinführen.«
»Ja, das wäre am besten.«
Ich beugte mich vor. »Ist aber nicht möglich.«
»Ha, Sie könnten es möglich machen. Ich wäre nicht der Erste, der während seiner Strafe aus der Zelle geholt worden wäre, um bei der Aufklärung eines Verbrechens zu helfen.«
»Ach, und Sie vergleichen Ihre Aussagen mit einem Verbrechen?«
»Ja, das tue ich!«
»Aber ich nicht. Sie haben mir bisher nur von irgendwelchen Zombies berichtet. Beweise dafür habe ich nicht erhalten, aber die hätte ich gern, verdammt.«
»Gut.« Er nickte. »Dann will ich Ihnen sagen, dass ich in einer Schreinerei gearbeitet habe. Wir sargten auch Tote ein. Ich war einer derjenigen, die dabei waren, und ich habe ihn gesehen. Ich sah den Bleichen, und ich sage Ihnen, dass nicht alle Toten auch tot waren. Da gab es noch immer Unterschiede.«
»Sagte das der Bleiche?«
»Nein. Aber er war sehr an den Toten interessiert. Er hat sie wohl gebraucht.«
»Dann hätte er sie stehlen müssen.«
Dirk Reuter hob die Schultern. »Kann sein. Nichts auf dieser Welt ist unmöglich. Das müssten Sie selbst am besten wissen, wo man Sie schon als Geisterjäger bezeichnet. Den Bleichen gibt es. Und er hält sich dort auf, wo der Tod ist.«
»Was will er denn mit den Leichen?«
»Ich weiß es nicht. Es kann sein, dass er Experimente mit ihnen macht. Es kann aber auch sein, dass er der Bote des nahen Tods ist. Ich habe keine Ahnung, aber die Menschen, die ihn kennen, die fürchten ihn. Für mich ist er so etwas wie der Tod und für meinen Chef auch. Nur konnte ich es nicht aushalten. Ich habe gekündigt. Ich bin verschwunden und hierher nach London gegangen, doch die Erinnerung bleibt. Er wird sich bestimmt wieder Leichen geholt haben, denke ich.«
»Und das fällt keinem Menschen auf?«
Dirk Reuter hob die Schultern. »Was soll ich dazu sagen? Wenn man geschickt genug ist, kann man alles durchziehen. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass der Bleiche Macht hat. Ob Zombies oder Vampire, ich glaube schon, dass sie alle seine Freunde sind.«
»Schön«, sagte ich, »und wo kann ich ihn treffen? Ich bin wirklich auf den Bleichen gespannt.«
»Nicht hier.«
»Klar, nicht im Knast. Wo denn?«
Reuter hob die Schultern. »Er ist wie ein Nebelstreif. Er ist plötzlich da. Ein schwarzes Gewand, ein bleiches Gesicht. Er liebt die Toten, er hat noch etwas mit ihnen vor. Mehr kann ich nicht sagen. Alles andere müssen Sie herausfinden.«
»Wo?« Ich lehnte mich zurück. »Bisher haben Sie nur wie die Katze um den heißen Brei herumgeredet. Ich möchte es gern konkret wissen. Wo kann ich ansetzen?«
»Was springt dabei für mich heraus?« Reuter hatte seine ursprüngliche Absicht noch immer nicht vergessen.
»Sollte sich alles bestätigen, werde ich mit den verantwortlichen Leuten
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