1491 - Transit nach Terra
jonglierte. Ein männlicher Partner spuckte gleichzeitig Feuer. Bald jedoch verlor er die Lust und ging weiter. Handgemachte Sensatipnen hatten nicht denselben Reiz wie das, was TTV servierte.
Immer wieder fielen ihm die Simu-Chips ins Auge.
Manche Leute trugen sie an entblößten Handgelenken, andere verbargen die Plättchen unter Kleidung.
Aber alle hatten sie.
Lindorn betrat einen Spiegelpalast. Ein paar Transmit-Felder arbeiteten nach dem Zufallsprinzip.
Reflektierende Wände aus Glas oder verdichteten Prallfeldern bildeten das Labyrinth. Etwa hundert Leute bewegten sich gleichzeitig hindurch. Vielleicht auch weniger - bei so vielen Spiegeln ließ sich das nicht beurteilen.
Plötzlich nahm er aus den Augenwinkeln einen silbernen Reflex wahr. Stiefel mit Prallfeldkufen. Darüber eine hautenge Kombination in Blau. Ganz oben ein Gesicht, selbstbewußte Züge, an der Grenze zur Arroganz. Weißblonde Haare, rote Augen. „Halt!" schrie er. Seine Stimme fing sich im Gewirr der Gänge. Er spürte förmlich, wie die Worte an Kraft verloren.
Sie war es. Die fremde Frau.
Und in der Sekunde darauf war sie verschwunden. Lindorn erkannte, daß er einem Spiegelbild aufgesessen war. Irgendwo in der Anlage mußte sie sein. Instinktiv rannte er los in die Richtung, in der er sie gesehen hatte.
Ein Spiegel. Er bremste mit den Händen ab und gab sich seitwärts Schwung. Die nächste Kurve erkannte er zu spät. Aus vollem Lauf prallte er gegen eine Glaswand. Seine Nase platzte auf, Blutstropfen spritzten. „Verdammt!" fluchte er. „Das darf nicht wahr sein!"
Mit einemmal erkannte Lindorn, daß er so keine Chance hatte. Er täuschte einen Zusammenbruch vor, rollte unsanft über den Boden ab und atmete keuchend. „Hilfe!" Schon stieß von oben ein vorher unsichtbarer Rob herab; die Maschine hob ihn auf und steuerte den Ausgang an. „Was ist geschehen, Herr?"
„Schon gut", antwortete Lindom hastig. „Ein Anfall von Platzangst. Verschwinde jetzt."
„Aber..."
„Versch winde!"
Der Rob stieg auf und nahm erneut seinen Platz irgendwo über dem Labyrinth ein. Lindorn schaute sich indessen um. Keine Spur von ihr. Sein Gefühl sagte ihm, daß sie das Gebäude längst verlassen hatte.
Er mußte draußen suchen.
Hastig stieß er die Eingangspforte auf und reihte sich in den Strom der Passanten ein. Viel zu eng, so ging es nicht. „Taxi!" rief er. Ein Sensor nahm seinen Ruf auf und schickte innerhalb von zwanzig Sekunden einen Gleiter. Diesmal würde er sie aus der Luft verfolgen. „Ich brauche Manuellsteuerung. Sofort. Ohne Diskussion."
Lindorn stöpselte seine Finger in die Schnittstelie. Er steuerte das Gefahrt auf zehn Meter Höhe und flog rasch alle fraglichen Richtungen ab. Weiterhin keine Spur von ihr. Verzweiflung erfaßte ihn. Wenn es etwas gab, was er wußte, dann war es dies: Sie bedeutete viel fürihn, aus welchen Gründen auch immer.
Aber noch hatte er nicht verioren. Direkt vor dem Labyrinth ging er wieder hinunter. Blieben noch die Straßencafes in unmittelbarer Nähe, eine gute 50-Prozent-Chance.
Das Taxi verschwand. Er nahm sich der Reihe nach die Eingänge vor. Und beim letzten Versuch hatte er Glück: Dort saß sie, ganz hinten, allein an einem Tisch für zwei Personen. Ihre Augenbrauen hoben sich in der Andeutung von Erkennen; dann war nur noch Verschlossenheit übrig.
Lindorn zögerte kaum eine Sekunde lang. Er drängte sich durch die Menschentraube, die den Eingang verstopfte, und stand schließlich vor ihr. „Mein Name ist Frank Lindorn." Er lächelte. „Ich habe Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, dich wiederzufinden."
„So", meinte sie herablassend. „Du bist der, der mich fast umgerannt hätte, nicht wahr? Wie ungeschickt."
Lindorn ließ sich davon nicht beeindrucken. „Ja, genauso ist es. Darf ich mich zu dir setzen?" Er preßte den Handballen auf die blutende Nasenwunde. „Bitte."
Er zog sich einen Stuhl heran. „Wie ist dein Name?" fragte er.
Nun lächelte sie zum erstenmal freundlich. „Ich heiße Thora. - Warte, ich rufe einen Medorob. Bevor du mir Blut auf die Stiefel spritzt."
*
Die nächsten Sekunden als Wachtraum: 1971. Ein Kreis schließt sich. Irgendwo im Innern seiner Persönlichkeit hat er gewußt, wer sie ist. Die erste große Liebe seines Lebens. Deshalb hat er sie verfolgt - allein aus diesem Grund. Thora. Die Landung auf dem Mond. Crest. Kampf ums Uberleben.
Glückliche Tage. Gefährliche Zeiten. Das ist etwas, das er braucht.
Sein Geist springt
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