1493 - Das Gefängnis der Kosmokratin
der Wende zum 6. Jahrhundert, hatte Alaska die Verzweiflung gepackt. Er brauchte Testares Nähe. Er mußte den Cappin wiederfmden. Ihre Beziehung ging über den Rahmen einer herkömmlichen Freundschaft weit hinaus. Sie beruhte auf der Gemeinsamkeit der Erfahrungen und der Erlebnisse, die in die Zeit zurückreichte, als Testare und Alaska noch eins gewesen waren; der eine ein ausgewachsener, mit emer Plage behafteter Mensch, der andere eben die Plage, das wahnsinnigmachende Fragment, das mit einer Maske bedeckt werden mußte. Alles, was sie erlebt hatten, hatten sie gemeinsam erlebt. Die Eindrücke, die der eine gesammelt hatte. waren auch die des anderen gewesen. Es gab keine herkömmliche Redewendung, keinen konventionellen Ausdruck, der in der Lage gewesen wäre zu beschreiben, wie nahe Alaska und Testare einander waren.
Damals hatte er der Welt, auf der der See Talsamon und die Stadt der Drei Daseinsebenen zu Hause waren, einen Namen gegeben. Querion hatte er sie genannt, denn die STADT war von Querionen erbaut worden. Er war im Lauf der Jahrhunderte mehrmals nach Querion zurückgekehrt, immer in der Hoffnung, entweder Testare oder Kytoma vorzufmden. Er hatte vergebens gehofft. Keiner der beiden ließ sich sehen. Niemand hatte eine Nachricht hinterlassen. Als die Zeit verging, hatte er sich allmählich an den Gedanken gewöhnt, daß er Testare nicht mehr zu sehen bekommen würde. Der Verlust des Freundes tat ihm weh. Aber mit einer Lebenserfahrung von mehr als 1700 Jahren verstand er es, mit solchem Schmerz zu leben.
Bei seinen späteren Besuchen war er auch in die STADT gegangen. So feindselig sie sich ihm gegenüber auch verhalten mochte, er hoffte immer noch, daß er hier eines Tages auf einen der dreizehn Querionen treffen werde, die die QTADT erbaut hatten und vor über fünfzigtausend Jahren die Gründer der Organisation der Gänger des Netzes gewesen waren. Auch hier war er enttäuscht worden. Die STADT bedrohte ihn. Sie jagte ihm Furcht ein. Aber sie produzierte keines der Wesen, von denen er sich Rat erwartet hatte.
Ein letztes Mal, so lautete sein Vorsatz, würde er nach Querion gehen. Er würde sich auf dem Grund des Sees ausruhen und getrost in Kauf nehmen, daß dabei wieder ein paar Jahre vergingen. Dann würde er in die STADT gehen und laut die Namen der dreizehn Querionen rufen, einen nach dem andern. Entweder hatte er diesmal Erfolg, oder seine Suche war endgültig vorüber.
Als er Anfang November 1085 den Halo der Milchstraße erreichte, hatte er seinen Plan jedoch geändert.
Der zweiwöchige Flug von Hangay war ereignislos und daher langweilig gewesen. Er hatte sich mit alten Datensammlungen in den Speichern seines Bordcomputers befaßt und dabei etwas gefunden, das er früher mal gewußt, dann aber wieder vergessen hatte. Testare und Ernst Ellert, der ehemalige Teletemporarier, bildeten seit den Ereignissen auf Kembayan ein Team. Ihr ursprüngliches Anliegen war gewesen, die Zeittafeln von Amringhar zu finden; denn erst nach Auffindung der Tafeln, so hatte ihnen die Stimme eines Unbekannten am Ort der ErfüÜung erklärt, würden sie ihre früheren paranormalen Gaben wiedererlangen. Bis dahin waren sie in die barkonidischen Wirtskörper eingesperrt und zum Dasein normaler Sterblicher verdammt. Es war zu hoffen, daß die Suche nach den Zeittafeln inzwischen erfolgreich gewesen war. Niemand wußte, welches die mittlere Lebenserwartung eines Barkoniden war, und Alaska hatte sich schon des öfteren durch den Kopf gehen lassen, daß er Testare womöglich deswegen nicht mehr finden könne, weil er schon längst gestorben war. Auf jeden Fall war aus Testares Bericht - damals, auf der unziviMsierten Welt am Rand der Milchstraße - hervorgegangen, daß er und Ellert nicht immer zusammen reisten. Es gab Situationen, in denen es ihnen taktisch geschickter erschien, getrennt zu operieren. Für den Informationsaustausch hatten sie bestimmte Orte vereinbart, an denen sie Nachrichten füreinander hinterlassen würden, sogenannte Briefkästen. Einer davon befand sich auf Asporc. So hatte Testare damals erzählt. Alaska hatte sich fiir den Jenauen Standort des Briefkastens nicht interessiert. Aber jetzt kam ihm die Idee, daß entweder Testare oder Ellert womöglich auf Asporc hätten gesehen worden sein können. Also gab er dem Autopiloten der MINSTREL den Auftrag, den Kursvektor auf die Welt der Asporcos zu richten. Lange wollte er sich dort nicht aufhalten, gerade nur so, daß er ein paar gezielte Fragen
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