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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zum Schlag aus; ich aber drängte rasch mein Pferd zwischen ihn und den Bedrohten und warnte:
    „Keine Übereilung, Halef! Dieser Mann wird mir meine Frage schon beantworten.“
    Ich zog eine kleine Münze aus der Tasche, zeigte sie dem Sarrasträger und wiederholte:
    „Also, gibt es hier einen Bekdschi?“
    „Gibst du mir das Geld?“ fragte er.
    „Ja.“
    „So her damit!“
    Er streckte die Hand aus.
    „Erst die Antwort!“
    „Ja, es gibt einen Bekdschi. Nun aber gib mir das Geld!“
    Es waren nur einige kupferne Parastücke.
    „Hier hast du!“ sagte ich. „Wo wohnt der Bekdschi?“
    Er steckte das Geld ein, zuckte die Achseln und fragte dabei grinsend:
    „Bezahlst du auch diese Frage?.“
    „Du bist bereits bezahlt!“
    „Für die erste, aber nicht für die zweite.“
    „Gut, hier hast du noch zwei Fünfparastücke! Also, wo wohnt der Bekdschi?“
    „Dort im letzten Haus“, antwortete der Mann, nach einem Bauwerk deutend, welches er zwar Haus nannte, das aber nicht einmal die Bezeichnung Hütte, sondern nur den Namen Stall verdiente. Wir setzten uns nach der angegebenen Richtung in Bewegung. Als wir die baufällige, einstöckige Wohnung erreichten, stieg ich vom Pferd, um an das Loch zu treten, welches als einziger Ein- und Ausgang diente. In diesem Augenblick aber trat eine Frau heraus, welche durch den Hufschlag unserer Pferde hervorgelockt worden war.
    „O jazik! Atsch gözünü – o wehe! Nimm dich in acht!“ rief sie und trat eiligst zurück.
    Ihr Gesicht war nämlich nicht verschleiert gewesen, woran allerdings nicht wir die Schuld trugen. Auch sie war barfuß. Ihr Körper war in ein altes zerfetztes Tuch gehüllt, und ihr Haar hatte ganz das Aussehen, als ob ihr Scheitel eine Filzmanufaktur im kleinen sei. Wasser war jedenfalls seit Monaten nicht an ihr Gesicht gekommen.
    Ich glaubte beinahe, daß sie sich nicht wieder sehen lassen werde; erst nach einigen ungeduldigen Ausrufen meinerseits kam sie doch wieder zum Vorschein. Sie hielt den Boden eines zerbrochenen Korbes vor ihr Gesicht. Durch die Ritzen des alten Weidengeflechtes konnte sie uns sehen, ohne daß es uns möglich war, uns an ihrer Schönheit zu weiden.
    „Was wollt ihr?“ fragte sie.
    „Hier wohnt der Bekdschi?“ mußte ich abermals fragen.
    „Ja.“
    „Du bist sein Weib?“
    „Ich bin sein einziges Weib“, antwortete sie stolz, um anzudeuten, daß sie das Herz ihres mitternächtlichen Paschas ganz allein besitze.
    „Ist er daheim?“
    „Nein!“
    „Wo befindet er sich?“
    „Er ist ausgegangen.“
    „Wohin?“
    „Auf die Wege seines Amtes.“
    „Es ist ja doch jetzt nicht Nacht!“
    „Er wacht nicht nur des Nachts, sondern auch am Tag über die Untertanen des Padischah. Er ist nicht bloß Bekdschi, sondern auch Diener des Kiaja, dessen Befehle er auszuführen hat.“
    Kiaja ist Ortsvorsteher. Da fiel mir der Mann ein, mit dem wir vorhin gesprochen hatten. Ich drehte mich um, und richtig, da kam er langsam und stolz auf uns zugeschritten.
    Das war mir denn doch zu viel. Ich schnitt die finsterste Miene und trat ihm einige Schritte entgegen.
    „Du selbst bist der Bekdschi?“ fragte ich ihn.
    „Ja“, antwortete er in einem höchst selbstbewußten Ton.
    Hadschi Halef Omar bemerkte, daß ich nicht mehr guter Laune sei, und lenkte sein Pferd hart an den Wächter der Nacht und des Tages heran, mich fest dabei im Auge haltend. Ich wußte, was er wollte, und nickte ihm bejahend zu.
    „Warum sagst du das nicht gleich, als ich vorhin mit dir sprach?“ fragte ich.
    „Ich habe es nicht nötig. Hast du noch Geld?“
    „Genug für dich. Da, ich will dich für alle weiteren Fragen gleich vorausbezahlen.“
    Ein Wink von mir, und die Peitsche des kleinen Hadschi klatschte auf den Rücken des Wächters der Untertanen des Padischah hernieder. Er wollte zurückspringen, aber der kleine Hadschi hatte sein Pferd so sicher zwischen den Schenkeln, daß er den Mann an die Wand drängte und immer neue Hiebe fallen ließ.
    Der Gezüchtigte dachte gar nicht daran, von seinem Sarras oder Knüttel Gebrauch zu machen. Er schrie in allen möglichen Tonarten, und sein ‚einziges‘ Weib stimmte ein. Dabei vergaß sie, den Boden des Korbes vor dem Gesicht zu behalten; sie warf vielmehr diesen Bewahrer ihrer weiblichen Würde weit von sich, sprang zum Pferd des Hadschi, faßte dieses am Schwanz, zerrte aus Leibeskräften und schrie dabei:
    „Wai baschina, wai baschina! Wehe dir, wehe dir! Wie kannst du den Diener und Liebling des

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