1514 - Das Muschelschiff
jedesmal, und er hatte sich in seinem Gefühl nicht getäuscht, daß sie dann über einem Abgrund zu hängen schien, der an ihr zog und sie verschlingen wollte.
Sie sprachen lange darüber, und am Ende saßen sie beide auf dem blanken Boden wie zwei unbekümmerte junge Menschen.
Sie sahen sich nicht in der Lage zu erkennen, was es war und woran es lag. Gesil meinte, daß dieser Schatten immer zwischen ihnen stehen würde, wenn sie sich nicht endlich Klarheit über die Identität und die Motive von Monos’ Vater verschaffen würde. Sie mußte in Erfahrung bringen, ob und warum er sie zur Erschaffung eines Monstrums wie Monos mißbraucht hatte. Sie wollte herausfinden, wie machtbesessen und moralisch verwerflich der Charakter dieses Wesens beschaffen war.
Sie mußte mit Stalker fliegen und sich Klarheit verschaffen. „Bitte, Perry", flüsterte sie. „Laß mich dies tun. Es ist meine persönliche Aufgabe. Idinyphe hat darunter gelitten, daß sie einen Bruder hatte, dessen Vater nicht du warst. Und ich leide noch immer darunter!"
Perry verstand es.
Seine innere Aufgewühltheit verschaffte sich in einer Bebenweile Luft, die durch seinen ganzen Körper lief. „Geh!" hauchte er. „Flieg mit Stalker. Du hast freie Hand. Niemand von uns wird sich einmischen, wenn es nicht gerade zu einer Überschneidung deines Weges mit den Wegen von Galaktikern kommt, die andere Hintergründe hat!"
Ein letztes Mal küßten sie sich, dann lösten sie sich voneinander. „Ich werde immer an dich denken und nicht aufhören, dich zu lieben!" sagte Gesil. Dann wandte sie sich entschlossen zur Tür und öffnete sie.
*
Eine Meldung aus M13 trug wesentlich zu meiner Beruhigung bei. Sie besagte, daß die Besatzung meines Schiffes inzwischen von einer Rettungsmannschaft, geborgen worden War und sich auf dem Weg nach Arkon feefand.
Die KARMINA, das Wrack ohne Hinterteil.
Ich mußte plötzlich lachen, und Perry warf mir einen fragenden Blick zu. „Es ist Stalkers Sinn für Ironie, der mich zum Lachen reizt", erklärte ich ihm. „Die Schergen in Truillau haben ihm das Heck seines letzten Walzenraumers weggeschossen, und er hat dasselbe bei meiner KARMINA getan.
Er hat zwanzig Jahre auf einer fürchterlichen Dschungelwelt verbracht, auf der die Rebellen jetzt einen Stützpunkt unterhalten. Und deshalb hat er das Gästezimmer im Muschelschiffais Dschungel hergerichtet. Das bösartige Ding, das mich aus dem Wasser heraus anstarrte, bestimmt entspringt es einer wahren Begebenheit!"
Perry lachte, aber es war kein heiteres, eher ein melancholisches Lachen. Drei Stunden war es her, seit sich die ODIN und die SHARN-Y-YAAK getrennt hatten. Wieder einmal war der Terraner für längere Zeit von seiner Frau getrennt. Es ging ihm an die Nieren, ich sah es ihm an. „Du solltest dich hinlegen und schlafen", schlug ich ihm vor. „Ich kümmere mich um alles, was anfällt!"
Die ODIN befand sich mit uns auf dem Weg in die Milchstraße, wo eine Unmenge an Aufgaben auf uns wartete.
Die Lage im Topsider-Konflikt war unverändert. Es hatte keine neue Eskalation gegeben, doch die Losung des Problems bedurfte großer Anstrengungen. „Ich kann jetzt nicht schlafen", entgegnete Perry. „Es geht einfach nicht. Ich muß mich um die Echsen kummern. Vielleicht konnten die Linguiden doch am ehesten bei der Beilegung des Konflikts helfen?"
„Nur über meine Leiche, Barbar!" kam es mir über die Lippen. Er sah mich groß an, dann brachen wir beide in schallendes Gelächter aus. „Wir werden es aus eigener Kraft schaffen wie immer, oder hast du dar an Zweifel?" fuhr ich fort.
Er schüttelte den Kopf, aber es sah nicht überzeugt aus. „Wir werden es sehen, du Kapitän ohne Schiff!" meinte er. „Du hast recht." Es gelang mir, fast so zerknirscht wie Stalker auszusehen. „Weißt du, Perry, irgendwie hatte der Unhold doch recht. Die KARMINA war das häßlichste Schiff des Universums!"
„Kein Wunder bei dieser Kreuzung aus einem Bügeleisen und einem altertümlichen Telefonhörer!" lachte er.
ENDE
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