153 - Das Ende der Technos
Ächzen und Stöhnen aufeinander. Drei Reihen hoch, sodass eine etwa oberschenkelhohe Wehr entstand, hinter der das Feuer trotz Regens weiterhin brannte. Auch die Donaghues waren mittlerweile aufgestanden und halfen Su, die drei Folien als behelfsmäßiges Regendach abzustützen. Nach eineinhalb Stunden mühseliger Plackerei, Rückschlägen und Misserfolgen war ihr Bauwerk endlich fertig. Hastig verkrochen sie sich dahinter, legten die nassen Sachen ab und drängten sich eng aneinander. Eve dachte keine Sekunde mehr an die Nachtwache. Wer auch immer sich bei diesem Sauwetter bemüßigt fühlte, ausgerechnet ein paar dürre, hilflose Gestalten zu meucheln oder aufzufressen – nun, er sollte die Beute bekommen. Sie waren schlichtweg zu erschöpft, um sich zu wehren.
3.
Su und Linus:
Meine Schwester und ich waren eben erst von der Oberfläche in den Bunker zurückgekehrt, als die Lichter ausgingen. Ich hörte Su erschreckt aufschreien und tastete mich hinüber in ihr Zimmer. Wir umklammerten einander. Wer eine Dunkelheit wie diese nie erlebt hat, kann sich nicht vorstellen, was für Gedanken einem dabei durch den Kopf gehen. Binnen eines Moments verlierst du deinen vielleicht wichtigsten Sinn.
Schrecklich.
Natürlich waren wir auf einen solchen Zwischenfall vorbereitet. Immer wieder hat man in endlosen Bunkerübungen Situationen wie diese mit uns durchgespielt. So lange ich mich erinnern kann, bläute man uns ein, was zu tun ist, wenn die Energieversorgung ausfällt.
Dennoch hatten wir in diesen Stunden alles vergessen und blieben schlotternd sitzen – bis es an die Tür klopfte. Ich hoffte so sehr, dass unsere Eltern zurückgekehrt wären. Aber die waren ja mit den anderen in den Krieg gezogen, an den Kratersee, um gegen die Daa’muren zu kämpfen.
Zögernd öffnete ich. Ein Soldat mit blassem Gesicht stand vor uns. Wortlos drückte er mir ein Bündel langer Kerzen in die Hand und zündete die erste mit seinem eigenen Licht an. Der Mann schwitzte stark und stank entsetzlich.
Ich nickte, bedankte mich und schloss die Türe sofort wieder.
Dann begannen meine Schwester und ich zu sprechen.
Zögerlich zuerst, dann immer rascher. Konnten wir uns darauf verlassen, dass Sir Leonard, unser Prime , das Richtige tat?
Würde er uns hinauf führen in die Oberwelt? Ich hatte den alten Mann stets bewundert und geschätzt.
Su und ich waren einer Meinung: Die Community war nicht nur dunkel geworden, sie war tot. Wenn es eine Zukunft gab, dann nur in jener Welt da oben.
Die Stunden vergingen, während es vor unserer Türe laut wurde. Schreie hallten durch die Gänge, von Angst und Schmerz erfüllt. Wir konnten uns ausmalen, was dort draußen vor sich ging.
Irgendwann trieben uns Hunger und Durst ebenfalls hinaus.
Im Licht der wenigen verbliebenen Kerzen stolperten wir Gänge entlang. Überall war Blut. Ein Wahnsinniger brüllte wie ein Tier, und öfters sahen wir Schatten auf uns zuwanken. Su und ich versteckten uns in kleinsten Abstellkammern, im Inneren von Aggregatskästen, zwischen faulenden Lebensmitteln. Dann erinnerte sich Su an die Luftschächte.
Also schlichen wir weiter, immer wieder Deckung vor halb wahnsinnigen Bunkermenschen suchend. Mit viel Glück fanden wir den Zugang zum Verteilerraum, kurz bevor Eve Neuf-Deville dort eintraf.
***
Der zweite Tag
Mit steifen Gliedern kroch Eve hinter dem Verschlag hervor.
Es hatte aufgehört zu regnen. Die provisorische Plane hing weit durch. Eine falsche Bewegung eines der Schlafenden, und zig Liter Wasser würden sich über die kleine Gruppe ergießen.
Eigentlich unglaublich, dass sie trotz der verkrümmten Haltungen, die sie hatten einnehmen müssen, alle Schlaf gefunden hatten. Die Geschwister hielten sich eng umschlungen, ebenso das alte Ehepaar. Mboto schnarchte leise, Li hingegen laut wie ein Rhinozeros. Einzig Pat McGonnagle hatte sich während der Nacht rücksichtslos Platz verschafft und lag entspannt in einem der Schlafsäcke.
Eve legte Holz in das noch schwelende Feuer. Es war nass und begann augenblicklich zu qualmen.
Qualmen…
Sie griff in die Zigarettenschachtel, die sie dem toten Techno abgenommen hatte, und zündete sich einen der Glimmstängel an. Gierig sog sie den Rauch ein, hustete unterdrückt und ging nach vorne zum Beobachtungsposten, den sie letzte Nacht während des einsetzenden Regens so schmählich verlassen hatte.
Hätte Rulfan sie deswegen getadelt?
Nein. Er war kein Mann der lauten Worte. Seine Blicke wären vorwurfsvoll
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