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153 - Das Ende der Technos

153 - Das Ende der Technos

Titel: 153 - Das Ende der Technos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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erinnern.
    Mindestens zwanzig Mal war sie mit Rulfan die Strecke zwischen Salisbury und London im EWAT hin und her geflogen; doch aus der Luft hatte alles ganz anders ausgesehen.
    Also musste sie sich auf den kleinen Kompass verlassen, der auf den neuen magnetischen Nordpol ausgerichtet war.
    Ihre Füße schmerzten. Alle klagten sie über kleine und größere Wehwehchen, denen mit Pflastern kaum beizukommen war. Auch der Rücken machte sich immer öfter bemerkbar. Die Jahrzehnte, die sie im Bunker verbracht hatten, rächten sich nun.
    Wenn sie genug Luft hatten, erzählten sie sich Geschichten von der »guten alten Zeit«, wie es Mboto mit verklärten Augen nannte. Als die Bunkerwerte noch eine Bedeutung gehabt hatten, als das komplizierte Regelwerk in dem riesigen Maulwurfsbau noch Dreh- und Angelpunkt ihrer Existenz gewesen war.
    Oder Su und Linus erzählten von ihren Abenteuern der letzten Monate. Von Barbaren, die ihnen Fertigkeiten beigebracht hatten, die sich nun als unendlich wertvoll erwiesen.
    Fährtenlesen, Fischfang mit der Hand, lautloses Anschleichen, das Knüpfen von Fallschlingen.
    Pat berichtete von mehreren Expeditionen in EWATs, die ihn nach Paris und Irland geführt hatten. Meist waren sie angereichert mit Prahlereien von heldenhaften Taten und der Rettung jungfräulicher Barbarinnen, die daraufhin bereitwillig das Lager mit ihm teilten.
    Unwillkürlich musste Eve lächeln, sobald er zu dieser unvermeidbaren Stelle seiner Heldenepen kam. Denn es existierten wohl nur sehr wenige Barbarinnen über zwölf Jahre, die ihre Jungfräulichkeit bewahrt hatten. Und es gab keinen ersichtlichen Grund, warum sie sich ausgerechnet diesem Prachtexemplar von Mann hätten hingeben sollen.
    Und über was erzählte sie?
    Nun – Eve schilderte ihre Begegnungen mit Rulfan und den Daa’muren. Von wirklichen Heldentaten, von Schmerz und Wehmut, von Verlusten und Verrat. Aber hauptsächlich, so musste sie sich eingestehen, redete sie über Rulfan.
    »Wie es dem Alten wohl geht?«, fragte Linus.
    Trotz des traurigen Themas musste Eve lächeln. Seitdem sich die Bunkertore der Außenwelt geöffnet hatten, waren auch die guten Sitten gelockert worden. »Der Alte« – so hatten die jüngeren Community-Bewohner Sir Leonard Gabriel, Rulfans Vater, genannt.
    »Ich glaub, dass ihn Duncan erwischt hat«, sagte Pat.
    Ungeniert schmatzte er auf einem kalten Stück Fleisch herum.
    Mittlerweile bedeckte ein kräftiger Bartschatten seine Wangen.
    Wäre nicht die Uniform gewesen, hätte der Soldat in Aussehen und Benehmen durchaus einem Barbaren geähnelt.
    »Der Glatzkopf hat Einiges auf dem Kasten«, widersprach Linus, ohne die Umgebung aus den Augen zu lassen. »So leicht erwischt man den nicht. Das hat er in den Wäldern gelernt.«
    Sir Leonard war jahrelang mit Expeditionen durch Europa und über die britischen Inseln gezogen und hatte dabei mit einer Frau eines Nomadenvolkes sogar einen Sohn gezeugt.
    Rulfan.
    »Wir sollten eine Pause machen«, sagte Pat, spuckte achtlos einen Knorpel aus und rülpste. »Dort vorne. An diesem Fluss.«
    Er deutete einen Abhang hinab, zur Biegung eines gewundenen Gewässers.
    »Zu gefährlich!«, widersprachen Su und Linus wie aus einem Mund.
    »Blödsinn!«, rief der Soldat ärgerlich. »Dort unten seh’n wir sofort, wenn sich uns jemand nähert. Erste Verhaltensmaßregel, wenn man einen EWAT landet.«
    »Sehen – ja. Das mag für ein gepanzertes Fahrzeug in Ordnung sein, in das man sich im Gefahrenfall sofort zurückziehen kann.« Linus schüttelte leicht den Kopf. »Aber das nützt uns nichts, wenn wir nicht entkommen können. Da gibt es nicht mal Bäume oder Geröll als Deckung. Dafür vermutlich scharenweise Fleggen und Moskitos. Willst du dich von denen zerstechen lassen?«
    »N…nein«, stotterte Pat. »Ich dachte… dachte nur…« Er verstummte und zuckte hilflos mit den Achseln. »Ach, verdammt, macht doch, was ihr wollt!« Er scherte ein wenig aus ihrer Gruppe aus und trat gegen einen verrotteten Baumstumpf.
    Eve machte eine geistige Notiz, sich den frustrierten jungen Mann heute Abend vorzuknöpfen. Er zerstörte durch sein grobes und meist unsoziales Verhalten die Dynamik in der ohnehin schon labilen Gruppe.
    »Was meinst du, wo wir lagern sollten?«, fragte Su ihren Bruder.
    »Bei der Baumgruppe dort vorne«, antwortete der Junge ohne Zögern. »Wir müssen natürlich zuerst die Wipfel durchsuchen. Hier soll es Giftschlangen geben, hat mir Wirrno erzählt.«
    Wirrno –

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