158 - Orguudoos Brut
Platz.
»Nichts von Belang«, sagte er gleichgültig. »Nur ein paar Bessiiner. Sie haben sich um ihre Beute gestritten.«
Onnar und Gerro, der Zweitälteste, tauschten einen langen Blick. Dann standen sie auf, und während Gerro mit dem Verteilen der Waffen begann, wandte sich Onnar an den jüngeren Bruder.
»Sag mal, Thurr: Was weißt du über Bessiiner?« Die erzwungene Freundlichkeit in seiner Stimme verhieß nichts Gutes, das wussten alle, die Onnar kannten.
Thurr blickte verunsichert zu ihm auf. »Na ja – es sind Steppenwölfe. Hochbeinig, schlank und scheu. Im Sommer ist ihr Fell goldbraun, im Winter wird es dicht und weiß.«
Onnar verdrehte die Augen. »Du sollst mir nicht erzählen, wie sie aussehen, sondern was du über sie weißt! Wichtige Dinge, Thurr, die für uns von Bedeutung sind! Zum Beispiel: Was fressen Bessiiner?«
»Aas«, sagte der junge Mann achselzuckend, und Onnar nickte.
»Aas.« Er schoss vor, packte Thurr am Hemd und zog ihn hoch. »Und du findest es nicht von Belang, wenn etwas Totes vor unserer Mine liegt, ohne dass wir davon wissen? Wo kommt das plötzlich her? Ist es vielleicht vom Himmel gefallen?« Onnar stieß seinen Bruder fort. Er breitete die Hände aus, seufzte und schüttelte den Kopf. »Manchmal erschreckst du mich mit deiner Einfalt, weißt du das? Du musst nachdenken, Thurr! Wir leben hier nicht in Wudans Paradies, sondern in einer gefährlichen Gegend! Da hat alles seine Bedeutung. Ganz besonders ein Toter vor der Tür!« Onnar winkte den anderen. »Kommt, Leute! Wir sehen mal nach.«
Die Tongidds marschierten an Thurr vorbei, und der junge Mann blickte in lauter düstere Mienen. Das machte ihm Angst, und Thurr versuchte sich zu rechtfertigen.
»Aber… da war kein Toter! Nur… nur…« Er brach ab, weil niemand stehen blieb, um ihn anzuhören. Thurr ließ die Hände sinken.
»Stücke«, ergänzte er hilflos, während die Tongidds durch den Stollen stapften. Onnar ging vorneweg. Als er den Ausgang erreichte, tippte ihm Rrodan auf die Schulter.
»Was isst man eigentlich in Wudans Paradies?«, wollte er wissen. Sein Bruder ließ ihn stehen, kopfschüttelnd, und trat ins Freie.
***
Etwas später, in Lagtai
Aruula gab nicht auf. Sie zerrte an dem Netz, das sie so unerbittlich umschlungen hielt, als hätte es ein Eigenleben.
Immer wieder sah sie gehetzt nach oben. Flammenschein tanzte durch die Nacht. Die Leute kamen näher, und ihre Stimmen wurden lauter. Es war eine fremde Sprache, sie klang abgehackt und aggressiv. Jemand rief: »Chengai! Hoi shak ma ruch-ra nang!« (»Lass mich das Schwein töten!«) – und gleich darauf waren sie da.
Köpfe tauchten am Grubenrand auf, Fackeln und Speere mit Eisenspitzen. Sie zielten auf Aruulas Herz. Die Barbarin erstarrte, um die Fremden nicht noch zu reizen. Sie wirkten wenig ansprechend mit ihren platten Nasen und den schmalen Augen. Ihre Haut war von gelblich brauner Farbe, sie waren sehnig und etwas kleiner als die Barbarin.
»Was ist das?« , fragte Narayan gedehnt. Er zeigte auf Aruula, die zu ihm hoch sah.
»Auf jeden Fall ist es keiner von denen« , meinte Rai, und Lamak neben ihm ergänzte: »Ich glaube, es ist eine Frau.«
»Ach, wirklich?« Chengai zog eine Braue hoch.
»Sie ist ziemlich stark gebaut, mit zu großen Augen und so hellhäutig wie der Russe – nicht gerade hübsch!«, urteilte Lamak. Chengai winkte ab. Er wandte sich an Aruula, deren verständnisloser Blick von einem zum anderen gewandert war.
»Wer bist du? Was tust du hier?«, fragte er fordernd.
Die Barbarin antwortete in ähnlich scharfem Ton. »Ich spreche deine Sprache nicht! Aber vielleicht hörst du mal auf, mich anzustarren, und hilfst mir hier raus?«
Lamak beugte sich Chengai zu. »Was sagt sie?«
»Woher soll ich das wissen? Klang das vielleicht nach unserer Sprache?« Chengai war verärgert. Er spürte, dass Aruula anders war als die Bajaatenfrauen, die ihn aufgezogen und geprägt hatten. Diese Fremde hier würde sich niemals unterordnen – dafür brannte zu viel Feuer in ihren Augen.
Entschieden zu viel! Außerdem war sie größer als er.
Der Saikhan richtete sich auf. »Ich schlage vor, sie zu töten. Die Frau ist nutzlos, wir wissen nichts über sie, und wir brauchen keinen zusätzlichen Ärger. Was wir haben, reicht.«
»Sehe ich auch so«, sagte Lamak.
Chengai nickte. »Also dann.«
Er verschwand vom Rand der Grube, und Aruula sah ihm stirnrunzelnd hinterher. Sie hatte versucht, irgendeinen Sinn aus den
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