1588 - Die falsche Kette
Inzwischen hat sie mehrfach mit Balasar Imkord und Aramus Shaenor gesprochen. Da braut sich etwas zusammen!"
„Ich weiß", erwiderte Dorina Vaccer. „Sag in der Zentrale Bescheid - die sollen eines der Beiboote startbereit machen. Ich muß nach Taumond fliegen. Aber vorher müssen wir miteinander sprechen. Ich habe eine Menge Neuigkeiten für euch alle."
Und dann erklärte sie ihren Schülern, was es mit dem Kima auf sich hatte. „Ihr müßt diese Kenntnisse weitergeben", schärfte sie ihnen ein. „Und ihr müßt sofort damit anfangen. Es ist zu befürchten, daß man die Kima-Höhle zerstören wird. Auf keinen Fall darf damit auch das Wissen um die Wahrheit zerstört werden!"
Sie versprachen es ihr. „Verbreitet diese Informationen vorerst nur unter der Hand", trug sie ihnen auf. „Wendet euch an die Schlichter und an die Schüler in Sprachschulen. Beschränkt euch nicht auf Lingora. Nehmt die Beiboote und fliegt zu allen Schulen, die ihr erreichen könnt. Je mehr Linguiden die Wahrheit kennen, desto besser."
Sie eilten davon - alle bis auf Amdan Cutrer. „Paß mir ja auf die SINIDO auf." sagte sie zu ihm. „Wir werden das Schiff noch bitter nötig brauchen!"
„Das fürchte ich auch", sagte er leise. Nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: „Du solltest nicht allein nach Taumond fliegen. Das ist jetzt viel zu gefährlich!"
„Gefährlich wird es erst, wenn ich zurückkehre", erwiderte Dorina Vaccer, wobei sie sich viel gelassener gab, als sie sich fühlte.
8.
11.10.1173 NGZ Die Linguidin ließ das Beiboot in einem Nebental landen und näherte sich dem Strauch auf ungewohnten Wegen.
Sie hätte es sich nicht träumen lassen, daß sie einmal gezwungen sein könnte, sich heimlich wie ein Dieb zu ihrem Kima-Strauch zu schleichen.
Der Strauch war innerhalb der wenigen Tage, die seit dem letzten Besuch vergangen waren, wiederum um ein beträchtliches Stück gewachsen. Er ragte jetzt bereits über den Gipfel des Hügels hinaus.
Lange Zeit hindurch stand Dorina Vaccer wie versteinert vor der monströsen Masse aus pflanzlicher Materie.
Sie fragte sich, ob die Superintelligenz auf irgendeine Weise mit diesem Strauch in Verbindung stand. Dabei war sie sich der Tatsache bewußt, daß sie noch vor sehr kurzer Zeit schon allein diese Frage als eine Art Sakrileg empfunden hätte.
Sie war überzeugt davon gewesen, daß ES die Friedensstifter und ihre Kima-Sträucher im Auge behielt und über ihr Wohlbefinden wachte. „Immerhin weiß ich jetzt, was du bist", sagte die Friedensstifterin zu der Pflanze. „Du bist ein Abkömmling jenes Astes, an den unsere Vorfahren sich geklammert haben, als es sie in den Hyperraum verschlagen hatte."
Auch diesen Teil der Geschichte hatte man in der Kima-Höhle aufgezeichnet.
Nach ihrer Rückkehr in die Realität der diesseitigen Welt erkannten die Schiffbrüchigen, woran sie sich festgehalten hatten. Aus Dankbarkeit versuchten sie, den Ast am Leben zu erhalten.
Sie betteten ihn in feuchte Erde. Er schlug auch tatsächlich Wurzeln.
Die Schiffbrüchigen litten unter regelmäßig wiederkehrenden Anfallen, bei denen sie von der Angst heimgesucht wurden, sie könnten erneut in die unfaßbare Realität der fünften Dimension abgetrieben werden.
In solchen Situationen suchten sie instinktiv Zuflucht bei dem vor ihrer Höhle wachsenden Strauch.
Und der Strauch half ihnen. Sobald die Schiffbrüchigen ihn berührten, verloren sie ihre Angst.
Als die ersten Nachkommen zur Welt kamen, stellte sich heraus, daß diese seltsamen Anfälle sich vererbten, daß aber auch die Wirkung des einzigen Heilmittels gegen diese Anfälle auf die Kinder der Schiffbrüchigen überging.
Als die Kinder groß wurden und die Höhle verließen, um draußen in den Wäldern ein eigenständiges Leben zu führen, schnitten sie Zweige von dem Strauch und nahmen diese Zweige mit. Sie zogen neue Sträucher auf, überall, wohin sie auch kamen.
Bald mußten sie jedoch feststellen, daß diese Sträucher viel empfindlicher waren, als man auf den ersten Blick annehmen konnte. So vermochten sie zwar selbst an den sonderbarsten Standorten zu gedeihen, aber sie ertrugen es nicht, wenn man ihnen allzu viele Zweige nahm, und sie verkümmerten, wenn sie nicht regelmäßig Kontakt zu einem Linguiden hatten.
Aber nicht zu jedem Linguiden.
Nur zu jeweils einem einzigen.
So war die seltsame Partnerschaft zwischen den Linguiden und ihren Kima-Sträuchern entstanden.
Ein Windstoß fuhr über den Hügel und
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