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159 - Schimären der Wüste

159 - Schimären der Wüste

Titel: 159 - Schimären der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Blut wieder zu zirkulieren begann.
    »Du bist also Sta’sy«, murmelte die Barbarin, ohne zu wissen, wie sie das Gespräch mit der Frau beginnen sollte.
    »Du musst dir etwas überziehen«, sagte die Schimärin statt einer Antwort. »Deine Obszönität erschreckt und verletzt.«
    »Obszön?« Aruula blickte an sich herab. Ihre Brüste waren verdeckt, die Stiefel reichten bis unter den halblangen Lederrock. »Okee, es ist nicht die letzte Mode aus Landán oder Moska, aber verglichen mit dem, was ich sonst so trage…«
    Sta’sy griff nach ihr. Sie betatschte Aruulas Po, tastete sich über die Hüften weiter vor bis zum Busen, strich darüber hinweg bis zum Hals und den Schultern.
    Aruula streifte die Hände unwillig ab. »Lass das gefälligst bleiben!«, befahl sie. »Niemand hat das Recht, mich anzufassen.«
    »Du bist so… schlank«, sagte Sta’sy, ohne auf die drohenden Worte und Gesten einzugehen. »Leidest du an einer Krankheit, so wie ich?«
    »Krankheit?« Aruula schüttelte den Kopf. Die Situation wurde immer verworrener. »Ich habe die liebevolle Umarmung einer Sandqualle hinter mir und wurde vergiftet. Deswegen fühle ich mich etwas schwach. Aber das hat nichts mit meiner Figur zu tun.«
    »Dann isst du zu wenig?« Sta’sys Hände zuckten erneut vor, hielten nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt inne.
    »Was sollen diese unsinnigen Fragen? Wär’s dir denn lieber, wenn das Fett um meine Hüften schwabbeln würde?«
    »Ja.« Die Schimärin sagte es seelenruhig. »Moogan hat uns gelehrt, dass nur fette Weiber ihre Männer glücklich machen können. Je dicker eine Frau, desto reicher ist sie im Herzen, desto eher genügt sie dem Verlangen eines Mannes im gemeinsamen Bettlager.«
    »Soso – das sagt also der liebe Moogan? Und was denkst du? Was, wenn er sich irrt?«
    »Still!« Sie hob den rechten Zeigefinger an ihre Lippen.
    »Du redest böses und wirres Zeug!«
    »Nur weil ich anderer Meinung als euer Stammesfürst bin?«
    Aruula lachte auf. »Hat Moogan euch denn auch die Freiheit des Denkens genommen?«
    Dicke Tränen perlten mit einem Mal aus Sta’sys Augenwinkeln. »Ja«, flüsterte sie schließlich und stieg hinab in das Krustenhaus ihrer Schwester.
    Aruula atmete tief durch und verhielt sich möglichst ruhig. Nun galt es, nicht zu viele Emotionen zu zeigen. Moogan steckte hier irgendwo und amüsierte sich möglicherweise über sie.
    Derzeit tapste sie sprichwörtlich im Dunklen. Vielleicht konnte der Herrscher der Schimären ja die Geister seiner Opfer beeinflussen. Auf Wesen, die ihre Fähigkeiten dazu benutzten, um Gewalt auf ihre Umgebung auszuüben, war sie in ihrem Leben oft genug getroffen. Vielfach labten sie sich an den Gefühlen derjenigen, die sie manipulierten.
    Hier würde ihr Schwertarm nicht viel nützen. Es galt, dringend mehr über Moogan herauszufinden.
    Sie folgte Sta’sy mit vorsichtigen Schritten hinab ins so genannte Krustenhaus.
    »Was ist mit deiner Schwester Rium’li?« , fragte sie die rundum verpackte Frau, deren Schatten sie schemenhaft ausmachen konnte. Es ging einen niedrigen Gang entlang, immer weiter hinab ins Gestein. »Ich dachte, sie würde hier wohnen.«
    »Rium’li ist fort, und sie wird nicht wiederkehren«, antwortete Sta’sy. »Dadurch ist Platz freigeworden, den du und ich nun nützen dürfen.«
    »Ist sie vor Moogan geflüchtet?«
    »Sie ist ihrem Herzen gefolgt und nicht ihrem Verstand.«
    Sta’sys Stimme wirkte abweisend. Es war ihr deutlich anzumerken, dass sie nicht weiter über dieses Thema sprechen wollte.
    Endlich erreichten sie das Ende des Ganges. Der Raum verbreiterte sich und bildete eine Kammer, in der gerade mal so viel Bewegungsfreiheit herrschte, dass sich zwei Menschen aneinander vorbei bewegen konnten, ohne sich zu berühren. In einer Ecke lagen zwei große Schüsseln übereinander, deren Schalen matt glänzten. Gegenüber brannte ein winziges Feuer.
    Es schenkte sowohl Licht als auch Wärme. Über eine grob geflochtene Schnur waren weitere Tücher gespannt.
    Möglicherweise Kleider, vielleicht aber auch Raumabteiler.
    Oder beides. Die Luft war stickig. Ein einziger schmaler Kamin über einem Loch, aus dem Fäkaliengeruch strömte, sorgte für mangelhaften Abzug.
    »Mein erstes eigenes Krustenhaus«, sagte Sta’sy ohne Stolz, »und auch mein letztes.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Rium’li hat die Familie entehrt. Sie ist mit einem… Mann davongelaufen, den Moogan nicht für sie vorgesehen hatte. Die Schande berührt

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