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1610 01 - Der letzte Alchimist

1610 01 - Der letzte Alchimist

Titel: 1610 01 - Der letzte Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Gentle
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heimgesucht wurde. Irgendetwas in meiner Brust schmerzte. Kurz herrschte Schweigen zwischen uns.
    »Wisst Ihr …?«, begann ich schließlich und schwitzte vor Verlegenheit. »Mademoiselle, wisst Ihr eigentlich, was wir da gemacht haben, was zwischen uns geschehen ist?«
    Sie zuckte mit den schmalen Schultern. »Ihr spritzt ab, wenn jemand Euch beschämt. Das zumindest ist offensichtlich.«
    Ich nehme an, es war mein Gesichtsausdruck, der sie lächeln ließ.
    »Die Huren in Les Halles waren sehr gesprächig«, bemerkte ich mit einem trockenen Unterton. »Ich nehme an, Ihr werdet sagen, dass Ihr dort Eure Informationen bekommen habt.«
    »Ich denke nicht, dass wir sie in diesem Punkt befragen müssen, Messire.«
    Ihr sachlicher Tonfall raubte mir effektiver die Kraft zu sagen, was ich hatte sagen wollen, als es weibliche Wut und Weinen je vermocht hätten.
    »Es war nie meine Absicht, Euch … Euch zu missbrauchen«, brachte ich mühsam hervor.
    Mit der Erinnerung an Ivry im Kopf schaute ich zu ihr hinunter, und sie blickte nachdenklich zu mir hoch. Es war, als würde ich sie zum ersten Mal sehen. Ihr Gesicht war unergründlich und fremd für mich – vielleicht sogar umso mehr aufgrund der perversen Szene, die sich erst vor gut einer Stunde zwischen uns abgespielt hatte.
    Ich habe den fetten Jungen bei Zaton gesehen, den weibischen Pagen, die unweibliche Frau, und nie war mir in den Sinn gekommen zu fragen, was für eine Art von junger Frau tut, was sie tut: sich wie ein Mann zu kleiden und ihre Familie im Stich zu lassen …
    Wenn man sie gegen hundert Fechter stellt, würde sie neunundneunzig von ihnen töten. Das war der Grund, warum sie tat, was sie tat. Und – warum, gütiger Gott, hast du solch ein Talent – solch ein außergewöhnliches Talent – ausgerechnet an eine Frau verschwendet?
    An eine Frau, die ich eigentlich gar nicht wirklich kenne.
    Es fiel mir schwer, sie anzuschauen. »Ich entschuldige mich, Mademoiselle. Die Umstände haben zu einer Situation zwischen uns geführt, die … die nicht hätte entstehen dürfen. Es wird nicht wieder vorkommen.«
    Sie blickte mich ernst an. Ihr Gesicht war weder das einer Frau noch das eines Mannes, oder vielleicht doch beides.
    Sie ist jung, dachte ich, als ich sie betrachtete. Und sie handelt impulsiv: Das weiß ich, wenn auch sonst nicht viel. Sie wird nicht eingehender darüber nachgedacht haben. Sie ist zu exzentrisch, um zu wissen, wie gefährlich die Zwänge eines Mannes sein können – besonders wenn diese Zwänge schändlich sind.
    Sie hat sich nie wirklich angewidert gezeigt.
    »Weil ich … Weil ich bin, was ich offensichtlich bin«, fuhr ich fort, »besteht für Euch noch lange nicht die Notwendigkeit, darin verwickelt zu werden.«
    Es hätte nicht heißen sollen ›darin verwickelt‹, sondern ›dadurch verdorben zu werden‹.
    Ich war der Ältere, und deshalb hatte ich auch die Verantwortung.
    Ich weiß nicht, ob ich den Schaden heilen kann, den ich ihr zugefügt haben muss, aber ich muss es versuchen!
    Sie hob den Blick, ihr Gesichtsausdruck ruhig und stur. »Ihr habt mir gar nichts aufgezwungen, Messire. Ich habe es mir selbst ausgesucht. Erinnert Ihr Euch noch an Zaton?«
    Ich habe die weibische Eigenart zu erröten, die ich von meiner Mutter geerbt habe, noch nie gemocht.
    Ich sagte: »Ihr hättet Euch nichts aussuchen können, was nicht schon da gewesen wäre.«
    Mein Fleisch regte sich nicht, dennoch verspürte ich das starke Verlangen, niederzuknien und sie um Verzeihung zu bitten.
    Als könnte sie meine Gedanken lesen, sagte sie prompt: »Könnte ich Euch jetzt dazu bringen zu betteln? Hier und jetzt? Mitten auf der Straße? Könnte ich Euch dazu bringen, niederzuknien und mir die Stiefel zu küssen?«
    Ich wandte den Blick ab und schaute in die kleinen Schatten der Mittagssonne und zu den Menschen und Tieren auf der unsere Gasse kreuzenden Banksidestraße. Ich holte mein Taschentuch heraus und wischte mir über die Stirn. Dariole beobachtete mich mit leuchtenden Augen, schien aber keinerlei Groll gegen mich zu hegen.
    Ich bemühte mich, meine Stimme ruhig und ernst zu halten. »Ich würde Euch nicht anbetteln, Mademoiselle – ich würde Euch anflehen. Und in der nächsten Minute würde ich vermutlich meine Hose beschmutzen. Man kann mir nicht vertrauen.«
    Ich schaute mir die Frau zum ersten Mal richtig an – das hatte ich bisher nie getan, nicht bei Zaton und auch nicht später. Ich schaute sie mir mit dem normalen, fehlbaren

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